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Kommentare

Jan

Wenn der freie Wille eine Illusion ist, bedeutet dies, dass Verbrecher nicht mehr bestraft werden müssen, da sie für ihre Handlungen nicht Verantwortlich sind ?14. September 2007

Schuster

Der Verbrecher erkennt verschieden Handlungsmöglichkeiten und hat so die Illusion seines freien Willens. Wie er dann handelt ist aber nur durch seinen jeweiligen körperlichen und geistigen Gesamtzustand bestimmt, insofern hat er keinen freien Willen. Aber er ist dafür verantwortlich wie er diesen Gesamtzustand erreicht hat. Ein gesunder normaler Mensch kann seinen Gesamtzustand so steuern, dass er kein Verbrechen begeht und er ist somit für sein Handeln verantwortlich. Also sind auch Verbrecher wenn sie geistig gesund sind voll für ihr Handeln verantwortlich und gehören bestraft. Das war eine kurze Antwort auf eine interessante Frage die in meinem Buch genauer ausgeführt wird .

14. September 2007

Anette

Ich habe immer noch nicht verstanden warum wir keinen freien Willen haben sollen und dann doch wieder verantwortlich sind für das was wir tun.25. September 2007

Schuster

Wenn man in einen Kühlschrank greift kann man nur das herausholen was bereits drinnen ist. So kann ein Mensch bei einem Entschluss nur auf das zugreifen was in seinem Kopf ist .Der Zustand seines Gehirns bestimmt wie er sich verhalten wird, so wie der Zustand des Kühlschrankes bestimmt was man herausholen kann. In dem Sinne haben wir keinen freien Willen sondern was wir als nächstes tun ist durch den vorherigen Zustand unseres Gehirns festgelegt.
Aber wir können den Zustand des Kühlschrankes ändern indem wir Neues einfüllen. So kann ein Mensch auch seinen Gehirnzustand durch äußere Einflüsse –wie Erziehung- aber auch durch eigenes Nachdenken ändern. Wir greifen beim Nachdenken auf uns vorher nicht bewusste Gedächtnisinhalte zu – also bildlich gesprochen in tiefere dunkle Teile das Kühlschrankes, auf die wir vorher nicht zugreifen konnten. Oder wir sehen etwas in anderem Licht indem wir andere Verknüpfungen im Gehirn bilden und damit andere Bezüge herstellen.
Ein normaler Mensch, der wegen einer Verkehrsübertretung eine Geldstrafe erhält wird –um eine erneute Bestrafung zu vermeiden- seinen Gehirnzustand so ändern, dass er das nächste mal besser aufpasst. Also die Erfahrung zeigt, dass obwohl unser Gehirnzustand bestimmt was wir (kurzfristig) als nächstes tun werden – wir also in dem Sinn keinen freien Willen haben- dieser Zustand aber durch äußere Einflüsse oder Nachdenken (langfristig, da beides etwas dauert) so geändert werden kann, dass wir uns so verhalten, dass wir unseren Mitmenschen nicht Schaden. Da das möglich ist sind wir verantwortlich für unser Verhalten. Wir sind kurzfristig determiniert langfristig aber veränderbar aber auch wieder nur im Rahmen unserer natürlichen Möglichkeiten. Aber diese Möglichkeiten sind bei alle gesunden Menschen ähnlich und reichen wiederum für praktische Zwecke aus um Schaden abzuwenden.
25. September 2007

Sebastian |

Ist das mit dem Bewußtsein nicht zu materialistisch gedacht? Wo bleibt denn da die Religion?14. September 2007 16:25

Schuster |

Es ist schon so, dass sich in unserem Kopf nur physikalisch-chemische Prozesse abspielen. Aber erstens sind sie von einer unvorstellbaren Komplexität (unser Gehirn enthält etwa hundert Milliarden Nervenzellen) und zweitens weiß niemand wie die physikalischen Gesetze selbst entstanden sind und warum sie gerade so aussehen wie wir sie in der Natur vorfinden. Es bleiben also noch genug Geheimnisse. Je mehr wir forschen und nachdenken desto mehr erkennen wir wie wunderbar die Natur beschaffen ist. Die Ehrfurcht vor dem Geheimnisvollen in der Natur ist nach Einstein und wohl für die meisten Physiker die schönste Religion. Ich halte es mit dem alten Fritz , dass jeder nach seiner Art selig werden darf.14. Sept

 Iris

Sie zitieren in Ihrem Buch, wenn es um den Spracherwerb bei Kindern geht Chomsky. Ist seine Theorie eigentlich noch zeitgemäß und nicht total umstritten und veraltet?

23. September 2007

Schuster

Noam Chomsky’s Theorie besagt, grob gesprochen, dass allen Kindern eine Art Ur-Grammatik angeborenen ist. Wenn die Kinder in frühen Lebensjahren ihre Mutter- Sprache hören, können sie die Grammatik dieser speziellen Mutter- Sprache “erlernen“ , indem sie Parameter in der Chomsky’schen allgemeinen Ur-Grammatik – an Hand der gehörten Beispiele – fein abstimmen.
Es gibt ein sehr verständliches neueres Argument für Chomsky, das in dem sehr lesenswerten Buch von Martin Nowak (Evolutionary Dynamics , Belknap /Harvard Press , 2006) zu finden ist. Demnach zeigen exakte Resultate der russischen Mathematiker Vapnik und Chernovenkis, dass wir eine spezielle Regel an Hand von Beispielen – also durch Verallgemeinerung – nur dann erlernen können, wenn der Satz der möglichen Regeln endlich ist. Chomsky’s Ur- Grammatik bildet einen solchen Satz von endlich vielen Regeln, woraus das Kind durch Verallgemeinern von gehörten Beispielen, die richtige Regel- also die Grammatik seiner Muttersprache – herausfiltern kann.
Chomsky’s Ur- Grammatik liefert also die notwendigen Einschränkungen, die notwendig sind, damit ein Kind aus Beispielen die Grammatik seiner Muttersprache erlernen kann.
Es bleibt aber die Frage, wie diese Ur-Grammatik in die Kinder kommt. Wie hat sie sich im Laufe der Evolution herausgebildet, so dass sie allen Kindern dieser Welt angeboren ist? Ein Argument für die Gleichartigkeit einer solchen Ur-Grammatik ist, dass die menschlichen Lebensumstände – mögen sie auch im Detail verschieden sein- doch viele grundsätzliche Gemeinsamkeiten haben. Wir müssen alle essen und trinken, brauchen eine Behausung um uns vor der Witterung zu schützen etc.. Diese ähnlichen Umstände führen zu ähnlichen Grundelementen in der Sprache. Nur dadurch sind ja Sprachen ineinander übersetzbar. Wenn wir noch daran denken, dass sich unsere Sprache vermutlich aus unserer Gestik heraus entwickelt hat – nicht umsonst sprechen wir von „begreifen“ , wenn wir etwas verstehen-so wird zumindest verständlich, das sich in allen Kindern eien geminsame Urgrammatik entwickeln konnte.

23. September 2007

 Uwe

Sie betonen in Ihrem Buch sehr die Sprache als Instrument des Bewusstseins. Wie steht es mit Bildern?27. September 2007

Schuster

Wie ich im Buch geschrieben habe, hatte schon Einstein seine Ideen zuerst in Form von Bildern wahrgenommen und erst danach in Worte und Formeln gefasst. Wir träumen ja auch in Form von Bildern, wir denken bildlich und zeichnen gerne auch in der Wissenschaft mal kleines Bildchen um etwas zu erläutern.Es gibt – wie ich auch geschrieben habe – Hinweise auf Filme im Kopf. Der kanadische Neurologe Penfield hat das offene Gehirn (bei Patienten die sich einer Schädeloperation unterziehen mussten) elektrisch stimuliert worauf die Patienten dann über kurze Filme aus ihrem Lebenslauf berichteten, die sie in ihrem Gedächtnis „sahen“. Aber jeder der versucht hat ein Bild zu malen, weiß wie schwer es ist Bilder aus dem Gehirn anderen mitzuteilen Also Bilder sind ein wichtiges Instrument unseres Bewusstseins. Sie sind m. E. archaischer und greifen tiefer in unser Unterbewusstsein hinein. Sprache hat den Vorteil, dass es weniger Schöpferkraft braucht um sich damit zu verständigen.

Wie Bilder ihrerseits Rückschlüsse auf unser Bewusstsein zulassen, zeigt sich dramatisch in den Werken von Geisteskranken in der Sammlung Prinzhorn in Heidelberg. Es handelt sich um die Bilder und Skulpturen, die trotz aller Verwirrtheit erstaunliche schöpferische Kräfte zeigen, die den Menschen im Kranken erkennen lassen.

Link zum Museum Prinzhorn, der auch zu einem Video einiger Bilder aus der Sammlung im Internet führt: http://www.uni-heidelberg.de/media/medizin/prinzhorn.html</p><br />
Die Bedeutung von Bildern für unser Bewusstsein ist also noch sehr wenig erforscht. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass autistische Kinder oft über erstaunliche Zeichenkünste verfügen.
(Ein sehr schönes Buch hierzu, mit zahlreichen Bildern stammt von B. Hermlin: “ Bright Splinters of the Mind: A Personal Story of Research with Autistic Children“, Jessica Kingsley Publishers, London (2001)27. September 2007

Wolfgang

Es war kürzlich in der FAZ einen Artikel zum Thema Verbrechen und Schuld im Lichte der Hirnforschung. Was können Sie dazu sagen?

22. September 2007

Schuster

Es gibt eine sehr gute Zusammenfassung zum gegenwärtigen Stand der Forschung zu diesem Thema in der New York Times vom 13. März dieses Jahres von Jeffrey Rosen: „The Brain on Stand“. Dabei stellt sich heraus, dass die Beiträge der Hirnforschung verblüffend dünn und umstritten sind. Natürlich gibt es klare Fälle. So wurde bei dem Mann der das Attentat auf Reagan verübte ein massiver Gehirnschaden entdeckt, der ihn vor der Todesstrafe bewahrte. Aber schon die Frage ob man mit Bildgebenden Verfahren verlässliche Lügendetektoren bauen kann ist viel umstrittener als man annehmen möchte. Es gibt immer wieder Ausnahmefälle. Ich empfehle sehr den kostenlos im Internet verfügbaren Artikel in der N.Y. Times zu lesen um sich selbst ein Bild zu machen.

22. September 2007

Martin |

Welchen Einfluss hat Musik auf unser Bewusstsein?9. Oktober 2007

Schuster

Da in unserem Gehirn alles darauf hinausläuft, dass Neuronengruppen rhythmisch feuern ist es nicht verwunderlich, dass Musik einen Einfluss auf unser Denken hat. In der einfachsten Form beeinflusst Musik unsere Bewegungen, da deren Ablauf in Sequenzen erfolgt. Trifft ein äußerer Rhythmus mit einer sequentiellen Abfolge von Motorbewegungen zusammen, dann zuckt es uns in den Gliedern und wir werden zum Tanz animiert.
Das führt zu einem sehr subtilen Zusammenhang zwischen Musik und Bewusstsein, über den Oliver Sacks (*) bei einem Patienten berichtet hat. Dieser hatte, krankheitsbedingt, keinen Zugang mehr zum episodischen Langzeitgedächtnis, so dass für sich ihn das Weltgeschehen nur in kurzen –und das ist wichtig- un- zusammenhängenden Episoden darbot. Wenn dieser Patient aber selbst ein Musikinstrument spielte oder sang konnte er – sozusagen rückwärts über den Rhythmus der Motorbewegung unbewusst (über das Prozedurale Gedächtnis (*)) wieder die verschieden Episoden miteinander verknüpfen, so dass er das Musikstück als zeitlich verbundenes -und nicht zerhacktes- Ganzes, d.h. als Kontinuum wahrnahm. Wir haben hier, den für unser Gehirn typischen Fall, dass es – zum Glück- verschiedene Kanäle gibt über die wir parallel Informationen aus der Außenwelt verarbeiten. Im obigen Fall konnte über den Automatismus der Motorbewegung –also über die, im Ablauf der Motorbewegung unbewusst gespeicherte Information- sogar die Zeitkontinuität im bewussten Empfinden wieder hergestellt werden.
Es ist auch sehr interessant, wann wir ein Musikstück als angenehm empfinden. Das hängt einerseits vom Kulturkreis also von unserer Erziehung ab. Aber generell davon scheint es so zu sein, dass wir Musik dann als angenehm empfinden, wenn wir ein bisschen vorhersagen können welcher Ton als nächstes eigentlich kommen müsste. Wenn diese Vorhersage – die wir unbewusst machen – öfter erfüllt wird empfinden wir das Musikstück als angenehm (dabei darf aber die Vorhersage auch wieder nicht zu platt sein).
(*) Das Zitat zu Oliver Sacks und ein Übersichtsbild über verschieden Formen unseres Gedächtnisses ist hier unter “Interessante neue Artikel ” Punkt 2 zu finden.9. Oktober 2007

Karin

Inwieweit kann uns unser Bewusstsein helfen den Sinn unseres Lebens zu verstehen?7. Oktober 2007

Schuster

Zunächst ist es durch unser Bewusstsein möglich eine solche Frage überhaupt zu stellen. Das können weder Hund noch Katze noch Schimpansen. Aber dann wird es schwer. Was heißt überhaupt Sinn, was ist sinnvoll?
Wenn wir unser Auto stoppen, wenn ein Kind am Straßenrand spielt. Das ist sinnvoll, da wir möglichen Schaden vorhersehend abwenden. Also hilft Bewusstsein sinnvoll zu handeln. Aber es gibt komplizierte Fragen: „Was hat das Leben für einen Sinn, wenn wir doch sterben. Soll man Sterbehilfe leisten, wenn jemand sehr leidet?“ Wer sagt uns dann was Sinn macht?
Logik hilft nicht viel sonst landet man wie Richard Dawkins in seinem Buch „Der Gotteseswahn“ bei reiner Evolution und meckert an allem herum. Natürlich kann man sich hinstellen und sagen: „Alles ist sinnlos“, und sich dabei noch sehr mutig vorkommen. Nun nehmen wir das mal als Ausgangshypothese. Dann kommt doch sofort die Frage: „Ja, aber wir sind nun mal da, ist das alles Zufall?“ Warum sind wir dann noch anständig und verhalten uns nicht wie die Menschen im Mittelalter – die Berichten nach – manchmal wenn die Pest sich der Stadt näherte rücksichtslos noch mal so richtig „Einen drauf gemacht haben“?
Weil wir es in uns fühlen, dass wir mehr sind, weil jeder Mensch eine innere Würde hat. Das kann man beim besten Willen nicht aus der Evolution herleiten. Hier brauchen wir andere Elemente des Bewusstseins: Gefühle und die Fähigkeit zur Empathie, also die Fähigkeit uns in andere Menschen hinein zu versetzen. Dass dies möglich ist sollte uns mit Respekt erfüllen und uns auch klar machen, dass unser Denken Grenzen hat. So wenig wie eine Maus verstehen kann, was eine Primzahl ist können wir den Sinn der Welt einfach verstehen. Aber wir können –im Gegensatz zur Maus, die sozusagen gar nicht weiß, wie dumm sie ist – erahnen, dass unser Wissen beschränkt ist und dass es noch etwas geben könnte – das wir zwar nicht verstehen können -das aber Achtung verdient. Diese Achtung vor dem Wunder der Welt, wie sie nun einmal ist, reicht eigentlich um zu erkennen, dass die Tatsache, dass wir die Frage nach dem Sinn des Lebens stellen können und niemand sie kurz und klar beantworten kann, schon die Antwort ist:
Wir sind alle Suchende, das verbindet uns Menschen und macht unsere Existenz eigentlich zu etwas Schönem. Der Weg hin zum Sinn ist es, nicht der Sinn selbst. Dass wir das, Dank unseres Bewusstseins erahnen können, macht mit das Wunder des Bewusstseins aus.
Mehr kann ich beim besten Willen auch nicht sagen, aber ich glaube es reicht, um an der Frage nach dem Sinn nicht zu verzweifeln.
(Das Buch von Richard Dawkins „Der Gotteswahn“ schüttet meiner Meinung nach – obwohl ich ein großer Anhänger der Evolutionstheorie bin – das Kind mit dem Bade aus. Dawkins sieht nicht, dass unser Denken beschränkt ist, er ähnelt daher ein bisschen der Maus oben).

Verena

Wie sehen Sie moralisch die Erzeugung künstlichen Bewusstseins, wo doch das menschliche noch weitgehende Fragen aufwirft und evtl. Leiden erzeugt werden kann?

Schuster

Wir sind momentan noch sehr weit davon entfernt Computer mit Bewusstsein zu bauen. Wenn wir das tun wollen müssen wir Computern Gefühle geben damit sie Situationen bewerten können. Wir müssen dazu aber erst einmal unsere menschlichen Gefühle und auch die Gefühlssysteme von anderen Lebewesen besser verstehen. Aus dem Wechselspiel zwischen der Untersuchung bereits vorhandener Lebewesen und der Computersimulation – mit dem Versuch so etwas wie künstliches Bewusstsein zu erzeugen – kommen wir auch zu einem besseren Verständnis menschlicher Gefühle. Also könnten wir so zum Beispiel lernen Schmerzen besser abzumildern, (besseres Verständnis von Akupunktur) oder wie andauernde Schmerzen oder dauerndes Unbehagen zu einer bleibenden Depression führen können. Daher sehe ich die Beschäftigung mit der Frage nach dem Bewusstsein moralisch positiv, da sie besser Einsichten in unser menschliches Verhalten und insbesondere in unsere Gefühlswelt bringt. Das wird uns letztendlich dazu verhelfen besser – d.h. mit weniger Leiden und vielleicht auch mit mehr Verständnis für die Gefühle anderer Menschen – zu leben.

Trickler

“Bewusstsein ist ein Kontrollprozess, der vor allem dazu verhilft, dass wir in der Gemeinschaft unserer Mitmenschen besser überleben” – oder manchmal auch nicht …
… d.h. als Definition eignet sich dieses Merkmal nicht.Haben nach Ihrer Auffassung nur Menschen Bewusstsein ??

“Dieser Prozess ist ein Resultat der Evolution und beruht ausschließlich auf physikalisch –chemischen Prozessen.” —
Tjah und wie steht es mit dem kollektiven Unbewussten (C.G. Jung) und Sheldrakes morphologischen Feldern?

Schuster

Ihre Frage „ob nur Menschen Bewusstsein haben“ wird in meinem Buch beantwortet. Dort gebe ich verschiedene Stufen des Bewussteins an (die zum Teil auch schon bei Tieren auftreten) und diskutiere auch in Kapitel 9 und 10 ganz ausführlich die Besonderheiten des menschlichen Bewusstseins.
Es gibt keinerlei experimentellen Beweise für die „morphologischen Felder“ von Sheldrake, daher kann ich nichts dazu sagen. (Diese Felder sind, m.E. eine von vielen vereinfachenden Ideen zum Bewusstsein, ohne jede Testmöglichkeit).
Dass es Elemente eines kollektiven Unterbewusstseins gibt ist wesentlich wahrscheinlicher. Schon alleine deshalb weil natürlich durch die gemeinsame Evolution alle Menschen genetisch ähnlich geprägt ist. Der Körper aller Menschen hat daher einen ähnlichen funktionalen Aufbau, also auch ihr Gehirn, samt z.B. im Unterbewusstsein verankerten Ängsten (vor Schlangen zum Beispiel, das konnte man testen.). Man könnte dazu die Urgrammatik von Chomsky zählen wonach jedem Kind eine Grobstruktur der Sprachgrammatik angeboren ist. Marc Hauser versucht in seinem Buch „Moral Minds“ zu begründen warum wir auch bestimmte angeborene moralische Verhaltensregeln haben. Die sind vermutlich schon wichtig dafür , dass sich nicht schon Affen oder Wölfe gegenseitig umbringen. Also hier sehe ich Ansätze zu experimentellen Tests, die klären könnten wie die Elemente eines kollektiven Unterbewusstseins aussehen könnten. Ob die Resultate dann mit der von C.G. Jung postulierten Archetypenlehre übereinstimmen werden, ist offen.

Nachtrag:

Das Zusammenspiel von angeborener Verdrahtung unseres Gehirn (also „genetischer Prägung“)und anschließender „Feinabstimmung“ durch Lernen konnte sehr schön beim Sehen gezeigt werden.

Beidäugiges Sehen muss gelernt werden. Nur wenn die Bilder, die auf der Netzhaut erscheinen die gleichen Sinnes-Zellen im Gehirn anregen erkennen wir etwas scharf. Aber bei der Geburt sind meist beide Augen etwas unterschiedlich gebaut, so dass Bilder auf der jeweiligen Netzhaut an verschiedenen Orten erscheinen. Wir haben aber ebenfalls von Geburt an sehr viele (zu viele) Verbindungen von der Netzhaut zum Sehzentrum im Gehirn. Das Sehzentrum erreicht daher ein verschwommenes Bild, das von der Überlagerung der Einzelinformationen beider Augen herrührt. In den ersten drei Monaten nach der Geburt blicken wir um uns und dabei sterben dann die Verbindungen  ab, die nicht simultan von beiden Augen angeregt wurden. Wir lernen also an Hand von Bildern aus unserer Umgebung. Dadurch wird der „Augenfehler“ kompensiert und wir sehen ein scharfes Bild. Dieser Mechanismus wurde zuerst von Hubel und Wiesel bei Katzen experimentell nachgewiesen. Fehlt die Lernphase, d.h. wenn man in den ersten drei Monaten den Kätzchen die Augen verbindet lernen sie nie wieder richtig sehen.

Anja

Wo würden Sie die Grenzen zwischen Bewusstsein und Instinkt ziehen? Wo kann man noch von Instinkt reden? Wo fängt das Bewusstsein an? Gibt es Problemfälle?

Schuster

Das Wort Instinkt wird verschieden verwendet. Wenn wir instinktiv die Augen schließen sobald etwas auf uns zufliegt so bedeutet, das wir reagieren mit einem unbewussten Reflex. Wenn eine Katze instinktiv nach einer Maus jagt, ist das eine im Verlauf der Evolution entstandenes – für die Katze vorteilhaftes – unbewusstes Verhalten, das aber schon etwas komplizierter ist als ein Reflex. Wenn ein erfahrener Bergsteiger instinktiv die richtige Fuß und Handstellung findet um eine schwierige Wand hochzusteigen ist das ein vorher bewusst antrainiertes Verhalten das dann später in das Unterbewusstsein gerutscht ist (siehe Schrödingers Zitat in meinem Buch). Wenn ein Börsenmensch instinktiv die richtige Wahl bei Aktien trifft, dann beruht das auf Erfahrung aber auch etwas darauf dass er auf Erinnerungen in seinem Gedächtnis zugreift die ihm nicht ausdrücklich bewusst sind. Auch Künstler malen vermutlich oft instinktiv und greifen dabei auf ihr Unterbewusstsein zu auf eine Art zu ,die nicht allem Menschen eigen ist. Also Instinkt kann Reflex oder evolutionär vorteilhafter Ablauf –wie etwa der Nestbau bei Vögeln- sein. Instinkt kann aber auch bedeuten dass man auf sein Unterbewusstsein zugreifen kann ohne dass man genau weiß wie das geschieht. Im Unterschied dazu hat man bei bewussten Handlungen zumindest das Gefühl dass man alles im Griff. Bei bewussten Handlungen – wie wenn wir etwa zu einer Radtour aufbrechen oder nach einer Tasse Tee greifen haben wir ein Ziel einen Plan und wir können mehrfach darüber nachdenken bevor wir wirklich handeln (das geschieht im dynamischen Protokoll von dem ich in meinem Buch spreche) Wir könne auch über unsere Pläne (etwa zur Radtour) mit anderen Menschen sprechen. Instinktmäßiges Verhalten unterscheidet sich von bewusstem Verhalten dadurch dass wir ( instinktmäßig ) auf eine auch für uns selbst wenig transparente Art und Weise auf unser Unterbewusstsein zugreifen. Unserem Bewusstsein ist eben nur ein sehr kleiner Bruchteil unserer Gehirnvorgänge zugänglich (so wie wir auf dem Bildschirm eins Computers auch nur sehr wenig von den Rechenvorgängen im Innern sehen).

Bernd

Sie sprechen in Ihrem Buch von verschiedenen Stufen des Bewusstseins. Kann man den Bewusstseinsgrad irgendwie messen?

Schuster

Ja, nach folgender Idee: Auf einem Computerbildschirm tauchen – immer nur für kurze Zeit – verschiedene Tiere auf. Man wird gefragt, ob man ein Wolf gesehen hat. Wenn man sicher ist ihn bewusst gesehen zu haben wettet man 100 Euro, dass man richtig gesehen hat. Wenn man unsicher ist, wenn man also glaubt nur vielleicht unbewusst etwas Wolfsähnliches kurz gesehen zu haben, wettet man weniger. Das Vertrauen darin etwas bewusst erkannt zu haben lässt sich so in Geld messen.

Persaud et al. haben diese Idee auf Spiele übertragen. (*)

Beim sogenannten „Iowa Kartenspiel“ gibt es 4 verschiede Stapel von Karten. Hat ein Spieler eine Karte gezogen, so gewinnt oder verliert er einen bestimmten Geldbetrag. Die Spieler wissen nicht, dass zwei der Stapel im Mittel zu einem Gewinn führen, wohingegen die anderen beiden Stapel zu mittlerem Verlust führen. (Im Mittel heißt, dass jede einzelne Karte, Gewinn oder auch Verlust bringen kann, nur wenn man viele Karten einem „Gewinn –Stapel“ zieht erhält man nach einiger Zeit einen Nettogewinn). Die Spieler müssen also durch mehrfaches Ziehen die gewinnbringenden Stapel herausfinden. Welche das sind, wird ihnen also nur langsam bewusst.
Die neue Spielvariante ist nun, dass die Spieler, nachdem sie eine Karte gezogen haben Geld drauf wetten müssen, ob die Karte gewinnt oder nicht. Erst danach wird ihnen gesagt, ob sie wirklich gewonnen oder verloren haben. Damit kann man das Vertrauen der Spieler in die eigene Entscheidung messen.
Die Spieler ziehen schon nach kurzer Zeit ihre Karten meist aus den gewinnbringenden Stapeln aber sie sind erst viel später (nachdem sie etwa 30 Karten gezogen haben) dazu bereit viel Geld darauf zu verwetten, dass sie wirklich von einem „guten“ Stapel gezogen haben. Also obwohl sie schon früh unbewusst richtig handelten, wird ihnen diese Tatsache (dass sie richtig wählten) erst viel später bewusst.
Salopp gesagt: Je mehr es einem dämmert – d.h. bewusst wird – dass etwas richtig ist, desto mehr ist man bereit Geld darauf zu verwetten dass man richtig liegt“. Der Geldbetrag ist dann ein Maß für den Bewusstseinsgrad.
Wenn man das Spiel in Abständen von jeweils zehn Versuchen immer wieder abbrach und die Spieler bat darüber nachzudenken was sie bisher gemacht haben, wurde die Zeitdauer- bis den Spielern die richtigen Stapel bewusst wurden- kürzer. Also Rückschau auf das eigen Verhalten („Selbstreflexion“) beschleunigte den Prozess des Bewusstwerdens.

(*) Persaud et al., Nature Neuroscience 10, 257 (2007)

klaus

also ich muss schon sagen ihre gedanken gänge gefallen m ir recht gut obwohl ich in einigen punkten nicht der gleichen meinung mit ihnen bin. ihr ergebender dr. klaus p. immel

Schuster

Sehr geehrter Herr Dr. Immel,
vielen Dank für Ihren freundlichen Kommentar. Ich würde mich freuen von Ihnen zu hören in welchen Punkten Sie mit mir nicht gleicher Meinung sind. Das könnte zu einer sehr interessanten Diskussion führen.
Mit freundlichen Grüßen,

H.G. Schuster

Christoph

Führt bewusstes Denken zwingend zu einem Gottesbild?

Schuster

Das kann ich wirklich nicht mit Sicherheit sagen, da ich kein Fachmann auf dem Gebiet der Theologie bin. Es gibt aber mehrere Gründe die zu religiösen Gefühlen und Bildern führen können. Aus Angst werden Naturereignissen Göttern zugeordnet, die menschliche Züge haben. Das hat den Vorteil dass man sie dann im Griff hat und sie etwa durch Gaben besänftigen kann. Also Zähmung der Angst. Ein modernes Beispiel ist die Mär von dem Programmierer der „Please “ eintippte als der Computer nicht mehr so wollte wie er sollte und ihm sogar ein Schälchen mit Reis hinstellte. Dann haben wir den Vater oder Eltern Ersatz. Wenn die Eltern nicht mehr leben tritt ein Vakuum ein – man hat Niemanden mehr der einem sagt was man tun soll- und da selbstständiges Denken schwer ist, wird oft hier ein Gottesbild eingefügt, das einem dann per Verhaltensregeln hilft den Tag zu bewältigen. Also ein religiöses Über-Ich. Dann gibt es noch die Funktion von Gott als Füller von Wissenslücken. Wir wissen wirklich sehr wenig Genaues darüber, wie unsere Welt funktioniert und da ist es dann so, dass wir beispielsweise sagen, die Naturgesetze stammen von einer „höheren Macht“. Schließlich fahren wir auch, sobald wir logisch nach dem Sinn des Lebens fragen ganz schnell an die Wand. Da kann dann Gott einen Sinn geben. Es ist übrigens tröstlich für alle die da fragen, dass sich selbst Mutter Theresa in ihren gerade veröffentlichten Briefen als Suchende zeigt. Insgesamt führt also bewusstes Denken schon mit einer gewissen Logik zu religiösen Bildern und Gefühlen.

Prause

Sie sprechen in Ihrem Buch auch über Kollektivbewusstsein von Gruppen, inwieweit hat das etwas mit unserem individuellen Bewusstsein zu tun?

Schuster

Kollektivbewusstsein bei einer Menschengruppe stellt sich ein, wenn die Mitglieder einer Situation ausgesetzt sind die gemeinsames Handeln erfordert.
Die Mitglieder der Gruppe entdecken Gemeinsamkeiten – etwa dass sie die gleichen Wasservorräte benutzen, die nun bedroht werden. Sie haben Einzelinteressen, etwa zu Hause Frau und Kindern zu versorgen – die sie zugunsten des Gruppeninteresses – etwa als Soldat das bedrohte Wasser zu verteidigen – teilweise aufgeben.
Zur Modellierung des Kollektivverhaltens wird oft das Bild eines magnetischen Phasenübergangs verwendet. Jedem Einzelwesen wird durch eine Magnetnadel beschrieben. Unterschiedliche Einstellungen der Nadel repräsentieren verschiedene Individualinteressen. Statische Umwelteinflüsse auf das Individuum werden durch ein „Wärmebad“ beschrieben das verschiedene Temperaturen haben kann. Hohe Temperatur heißt dass wir von der Umwelt (z. B. Werbung.) „stark gebeutelt“ werden. Starke individuelle Interessen werden durch ein lokales Magnetfeld repräsentiert, das die „mittlere individuelle“ Richtung der Nadel festlegt. Die Einflüsse der anderen Mitglieder in der Gruppe kommen dadurch zustande, dass die Magnetnadeln der Nachbarn auf die Magnetnadel eines Individuums wirken. Das so von alle Nachbarn gebildete mittlere Magnetfeld der Nadeln misst die Wirkung des Kollektivs auf das Individuum. Wird der Einfluss stark genug, so überkommt er sowohl die Schwankungen, die durch das Wärmebad hervorgerufen werden, als auch das lokale Magnetfeld welches das Einzelinteresse des Individuums modelliert. Die Nadeln aller Individuen fangen an sich mehr und mehr parallel zu stellen. Es tritt ein magnetischer Phasenübergang in der Gruppe auf der zu einer neuen Qualität führt:“ Zu einer von außen messbaren Magnetisierung“. Es tritt also eine mittlere Vorzugsrichtung bei allen Nadeln der in der Gruppe auf. Sie zeigt an, dass alle Mitglieder plötzlich ein gemeinsames Interesse haben das – und das ist der Witz der dabei- durchaus von dem früheren individuellen Interesse (das durch das lokale individuelle Magnetfeld gemessen wird) stark abweichen kann.
Zusammenfassend zeigt das magnetische Modell wie sich ein neues Kollektivinteresse – das auch dem individuellen Interesse entgegengesetzt sein kann -(daher also eine neue Qualität besitzt und zu einem neuen Kollektivverhalten führt) plötzlich ohne Dirigenten herausbilden kann.
Wesentlich hierbei ist aber der Zwist zwischen bewusstem autonomen Interesse des Einzelnen und dem Kollektivinteresse. Das ist nur bei Menschen möglich. Bei einem Ameisenstaat tritt auch neues Kollektivverhalten auf, da die Ameisen Information über Duftstoffe (Pheromone) austauschen und sich so (ähnlich wie die Magnete oben) gegenseitig beeinflussen. Aber die einzelne ordnet –ohne inneren Widerspruch- automatisch ihr Eigeninteresse dem Kollektivinteresse unter. Der Mensch kann sich bewusst dagegen wehren.
Dennoch ist beiden Systemen gemeinsam, dass das Kollektiv ohne Dirigenten neue Eigenschaften –die das Einzelwesen in der Gruppe nicht hat- entwickeln kann.
Diese grundlegende Fähigkeit (zu neuem Kollektivverhalten ohne Dirigenten) tritt auch beim menschlichen Bewusstsein auf. Hier geht es auch darum, das ganze Neuronenverbände in unserm Gehirn zusammenspielen müssen damit ein Gesamteindruck einer beobachteten Szene in unserem Bewusstsein auftritt oder ein Entschluss gefasst wird. Beides sind Kollektivphänomene, an denen sehr viel Neuronen beteiligt sind. Der Unterschied zur Menschengruppe oder zu den Ameisen ist folgender.
Wir haben in unserem Gehirn ein Symbolsystem durch das wir Ereignisse darstellen und sie (in einer symbolischen Form die uns selbst als Person einschließen kann ) immer wieder nacheinander unter verschieden Gesichtspunktender beobachten können. Damit sind Gesamteindrücke aber auch Entschlüsse auch wenn sie kollektiv zustande kommen immer wieder – noch bevor sie zu Handlungen führen- überprüfbar und revidierbar. Die Komplexität dieses Prozesses ist jenseits unsres Vorstellungsvermögens. Aus diesem Grind ist eine „einfach Beschreibung des der kollektiven Komponente unseres Bewusstseins mit dem „Magnetenbild“ nicht so einfach möglich, obwohl es einen Hauch der „richtigen Karikatur“ besitzt. (Nur wenn wir in Panik sind reagieren wir primitiv kollektiv).

Ulrike

Wie ich gerade festgestellt habe, haben sie in älteren Kommentaren bereits Stellung zum Thema des freien Willens genommen. Das Bewusstsein wird demnach durch äußere Einflüsse (Erziehung, gesellschaftliche Normen, Strafen etc) und durch Nachdenken gebildet.

Nun ein paar Fragen, die sich nach der Lektüre dieser Antworten stellen:
1. Denkt denn jeder Mensch gleich, bzw. besser gesagt, kommt jeder Mensch durch Nachdenken zu dem Schluss, dass er lieber friedlich mit seinen Mitmenschen leben soll? Und sind nicht Menschen, die in einem gewaltbereiteren Milieu (der Vater hat schon immer die Konkurrenz umgelegt) benachteiligt gegenüber Personen, die in einer “heilen” Welt groß geworden sind?
2. Ist die lebenslängliche Strafe bei Mord überhaupt sinnvoll? Faktisch werden zwar die meisten nach spätestens 15 Jahren entlassen, aber müsste nicht grundsätzlich zunächst eine zeitlichen Strafe genügen um dadurch diese Menschen “umzuprägen”? und
3. noch eine abschließende Frage: Wieso geht die Wissenschaft überhaupt davon aus, dass es keinen freien Willen gibt? Gibt es irgendwelche handfesten Beweise oder sind das bisher nur Spekulationen und Theorien aufgrund von Indizien? Natürlich besteht der menschliche Körper aus Molekülen aber schließt das automatisch den freien Willen aus?

Schuster

Frage:
Wieso geht die Wissenschaft überhaupt davon aus, dass es keinen freien Willen gibt? Gibt es irgendwelche handfesten Beweise oder sind das bisher nur Spekulationen und Theorien aufgrund von Indizien? Natürlich besteht der menschliche Körper aus Molekülen aber schließt das automatisch den freien Willen aus?
Antwort:
Ja. Da, das Gehirn besteht aus Molekülen die sich nach physikalischen oder chemischen Gesetzen bewegen. Das heißt ihr Verhalten (und damit das Verhalten unsers Gehirns d.h. unser Denken) ist zu jedem Zeitpunkt durch ihre Vorgeschichte bestimmt also determiniert. Es gibt keine zusätzlichen Freiheiten mehr (also keinen „kleinen Finger Gottes“ der sie hin und her schiebt). Daher ist unser Verhalten streng determiniert und wir haben keinen freien Willen. Sowenig wie die Erde, wenn sie um die Sonne kreist einen freien Willen hat.
Jetzt kommt aber ein wichtiger Punkt. Wir bestehen aus sehr, sehr vielen Molekülen und unser Verhalten ist daher nicht so einfach vorhersagbar wie der Lauf der Erde um die Sonne.
Es kommt noch raffinierter. Wenn wir ein Stückchen Schokolade angeboten bekommen haben wir zwei Möglichkeiten: „essen oder ablehnen“. Wir sehen diese beiden Möglichkeiten und meinen dadurch, dass wir frei sind zu entscheiden. Wir haben also die Illusion, dass wir einen freien Willen haben. Aber wie erfolgt dann die Entscheidung? Sie ist durch unsere Vorgeschichte geprägt. Haben wir gerade Hunger also Zuckermangel werden wir gerne zugreifen. Sind wir satt weil wir gerade ein ganze Tafel Schokolade verzehrt haben lehnen wir dankend ab. Sind wir unentschlossen so sagen wir beispielsweise ja wir sind jetzt ganz frei und essen gerade zum Spaß obwohl wir vorher schon eine ganze Tafel verzehrt haben noch ein Stückchen. Dann liegt der Grund für unser Verhalten darin dass wir gerade mal unvernünftig sein wollen. Aber auch in diesem Wollen sind wir nicht frei. Irgendwo in unserem Unterbewusstsein – bestimmt durch unsere Vorgeschichte und durch physikalisch chemische Vorgänge – gibt es einen Grund für unser Verhalten. Es muss ihm geben, da wir physikalisch chemische Systeme sind.
Also, obwohl wir oft nicht im Einzelnen wissen wie unsere Entscheidungen zustande kommen, ist doch Eines sicher: sie entstehen auf Grund physikalisch chemischer Vorgänge und sind daher durch unsre Vorgeschichte determiniert. Wir sind daher in unseren Entscheidungen nicht frei.

Zu den anderen beiden Fragen:

Wie wir uns verhalten wird durch mehrere Faktoren bestimmt:

1.Durch unsere Gene. In ihnen ist im Laufe der Evolution angehäufte „Vorwissen „ gespeichert zusammen mit unseren persönlichen Eigenheiten. Zu dem Vorwissen gehören, bei normalen Menschen, auch gewisse moralische Hemmschwellen. Schon Hunde hören auf zu kämpfen wenn sich der Gegner „ergibt“. etc. Es gibt aber auch bestimmte Gene, die zu verstärkt aggressivem Verhalten führen. Je nach Lebensumständen können sie in ihren Auswirkungen gedämpft oder verstärkt werden. So wie es eine genetische Veranlagung zu Diabetes gibt, die je nach Lebensweise zu Diabetes führen kann oder nicht. Das führt zur zweiten Frage.

2.Durch unsere Lebensumstände. Ein Kind im behüteten Milieu ist weniger anfällig für verbrecherisches Verhalten als ein Kind das im gewaltbereiten Milieu aufwächst.

3. Durch unsere Intelligenz. Wir können lernen und unser eigenes Verhalten durch Einsicht und Nachdenken ändern.

Das führt zur Frage nach der lebenslänglichen Strafe:

Wie lange es dauert um einen Mörder „umzuerziehen“ hängt natürlich von dessen Veranlagung also seinen Genen ab, die sowohl Intelligenz als die Fähigkeit zur Empathie bestimmen. Autisten, also Menschen die sich nicht in andere hineinversetzen können –also auch den Schmerz der Opfer oder der Anverwandten nicht nachvollziehen können- sind schwerer wieder auf den rechten Weg zu bringen als sensible Menschen die im Affekt gehandelt haben und ihr Verbrechen einsehen können. Letzteres reicht noch nicht, sie müssen sich auch gemäß dieser Einsicht verhalten wenn sie entlassen werden.
Es ist also für die Rechtssprechung sehr wesentlich den Täter zu verstehen und insbesondere seine , u.U. verminderte Schuldfähigkeit durch Hirnschäden oder genetische Veranlagung in Rechnung zu stellen. Aber Vorrang hat auch dann der Schutz der Allgemeinheit, die vor dem Täter geschützt werden muss. Wie lange man ihn wegsperren muss um Schaden zu verhindern ist schwierig da eben Gene, Intelligenz und frühere Lebensumstände die Rückfälligkeit beeinflussen.
Diese Probleme werden die Rechtssprechung stets beschäftigen und sowohl Juristen also auch Hirnforscher (deren Zusammenarbeit m.E. unerlässlich ist) werden daher nicht arbeitslos bleiben.

Carmen

Heute stand in der Sonntagsausgabe der FAZ (vom 25. 11. 07)ein Artikel mit der Überschrift „Was ist Neurogermanistik“ , was halten sie davon?

Schuster

Der Artikel von Jürgen Kaube (FAZ , 25. Nov. 2007) bezieht sich auf eine Arbeit von Herrn Lauer, Univ. Göttingen (1). Er ist sehr gut geschrieben und enthält viel Richtiges über die Spiegelneuronen. Ihr Bezug zur Germanistik kommt dadurch Zustande, dass sie uns zur Empathie befähigen und wir dadurch Literatur innerlich (auch spielerisch) nachempfinden und wiederbeleben können.
Der wichtige Satz steht am Schluss des FAZ Artikels: „Die Neurogermanistik hat gerade erst angefangen und also noch viel zu erklären”.

Wie immer man zu dem (etwas modischen) Wort „Neurogermanistik“ stehen mag, es ist wichtig, dass ein Bezug zwischen Literaturwissenschaft und Neurobiologie hergestellt wird. Wie ich in meinem Buch (Seite 123) ausführe, ist aber der eigentliche Schatz, der dabei zu heben ist folgender:
“Eine Computergestützte Untersuchung literarischer Werke mit dem Ziel, etwa durch Mittelung, einen möglichst allgemeingültigen (universellen) menschlichen Verhaltenskatalog zusammenzustellen wäre für das Verständnis des menschlichen Bewusstseins mindestens ebenso wichtig, wie ein Anatomieatlas für das Verständnis des Menschlichen Körpers“( Zitat: Schuster: Bewusst oder Unbewusst, Seite123).

Die Literatur bildet eine Fundgrube an Beschreibungen von menschlichen Verhaltensweisen. Wenn wir also nach typisch menschlichen Verhalten (nach menschlichen Universalien) suchen (die uns etwa im Turing Test von einem Computer unterscheiden) so sollten wir – z.B. mit dem Computer- in der gesamten Literatur danach suchen. Das ist insbesondere spannend da Handlungsmotivationen und Gefühlsempfindungen etc. –also das was Computer nicht haben – oft sehr detailliert beschrieben werden. Darüber hinaus findet an dort auch pathologische Fälle, wie etwa im Struwwelpeter den Suppenkaspar (Magersucht) oder den Zappelphilipp (ADS Syndrom) beschrieben. Aber auch andere interessante Fälle, wie den Hans in Grimms Märchen, der alles wörtlich nimmt. (Als man Hans rät er soll der Grete schöne Augen zuwerfen sticht er dem Hund die Augen aus und wirft sie Grete zu). Welcher Teil des Gehirns funktioniert da nicht richtig?
Also die gesamte Literatur, nicht nur die Deutsche ist eine Goldgrube, wenn man sie mit der Neurologie verbindet um, z.B. mit Hilfe von Computerrecherchen, Universalien menschlichen Verhaltens oder menschlicher Gefühle herausfiltern.

(1) Lauer: „Spiegelneuronen. Über den Grund des Wohlgefallens an der Nachahmung“

http://wwwuser.gwdg.de/~glauer/Publikationen/downloads/lauer_spiegelneuronen.pdf

Jennifer

In Ihrem Buch räumen Sie den Philosophen nur sehr wenig Raum ein. Woran liegt das? Hat die Philosophie so wenig zum Verständnis des Bewusstseins beigetragen?

Schuster

Die Philosophin Patricia Churchland hat 2002 ein (von mir zitiertes Buch) „Brain Wise: Studies in Neurophilosophy „ geschrieben in dem sie den Beitrag der Philosophie zum Thema Bewusstsein ausgezeichnet und umfassend darstellt, so dass ich auf Wiederholung verzichtet habe.
Hier aber einige (sinngemäße, nicht wörtliche) Zitate von Philosophen zum Thema Bewusstsein, die mir besonders gefallen, und so nicht bei Churchland stehen:

– Aristoteles: „Der Mensch ist das einzige Tier das lachen kann“

– Nietzsche: „Das Bewusstsein hat sich unter dem Zwang zu Kommunikation entwickelt.“ Denn: Die Feinheit und Stärke des Bewusstseins stehen immer im Verhältnis zur Mitteilungs-Fähigkeit eines Menschen (oder Tiers). Die Mitteilungs-Fähigkeit steht wiederum im Verhältnis zur Mitteilungs-Bedürftigkeit. (in „Fröhliche Wissenschaft“)

– Searle’s chinesisches Zimmer: „Zettel mit Frage (in chinesischer Schrift)eingeben, Zimmerinsasse schlägt Antwort in großem Frage-Antwort Buch nach (er versteht kein chinesisch, sondern kopiert nur Antwort auf Frage), gibt Zettel mit Antwort raus. Arbeitet unser Bewusstsein wie ein solcher „Nachschlage Automat“? Nein, es fehlt die Erkenntnis der Bedeutung der Frage (für den Menschen).“

– Ortega y Gasset: „Unser Wissen ist beschränkt und unvollständig. Die Philosophie dient dazu den unvollendeten Bogen der Erkenntnis zu vervollständigen, damit wir ein geschlossenes Weltbild erhalten.“

Das letzte Zitat scheint mir das wichtigste, da es die Vorreiterrolle der Philosophie deutlich macht. Wenn wir an Wissensgrenzen arbeiten, müssen wir versuchen den Bogen philosophisch weiterzubauen.
Philosophischer Rat, der das längerfristige Wohl der Menschheit Auge hat wird vonnöten sein, wenn es um ethische Fragen geht wie: Wieweit dürfen Gehirnscans bei einem Strafverfahren eingesetzt werden oder wo liegen die Grenzen bei Manipulationen des menschlichen Bewussteins, etwa durch genetische Veränderungen.

Dabei sollte man aber immer im Auge behalten, dass auch Koryphäen irren können. ( Husserl hat seinerzeit die Habilitation von Frauen für unsinnig erklärt, wohingegen Einstein dafür war. Heidegger hat seine unsägliche Rektoratsrede gehalten und in jüngster Zeit hat sich James Watson mit Aussagen über Afrikaner blamiert). Also kritisches Denken ist immer vonnöten und kann uns von Niemandem (weder von Philosophen noch von Naturwissenschaftlern) einfach abgenommen werden.

Noch eine fast selbstverständliche, aber wesentliche Einschränkung: Philosophische Spekulationen müssen baldmöglichst durch Experimente und Theorien, die (im Sinne des Philosophen Karl Popper) falsifizierbare Vorhersagen machen, untermauert werden. Nur so erhalten wir Erkenntnisse, die wir für uns Menschen hilfreich nutzen können. Penicillin, Zahnersatz, oder der Einsatz des Lasers bei Augenleiden wurden nicht durch reine Philosophie möglich (obwohl die Anfänge der Naturwissenschaft auf philosophische Gedanken und Fragen zurückgehen), sondern durch naturwissenschaftliches Forschen.
Daher habe ich versucht in meinem Buch naturwissenschaftlich nachprüfbare, funktionale Elemente des Bewusstseins aufzuzeigen (und die Beschreibung der philosophischen Landschaft den zitierten Fachleuten überlassen).

  1. Jascha Jaworski |Sehr geehrter Herr Schuster,zwar habe ich ihr Buch nicht gelesen, doch hat das Mitverfolgen des Frage-Antwort-Spiels in diesem Forum ambivalente Gefühle in mir ausgelöst, so dass ich nun doch einen kleinen Beitrag (oder Abtrag) schreiben möchte. Die Ambivalenz bezieht sich nicht darauf, dass etwa mein Weltbild durch ihre Erkenntnisse erschüttert wurde und ich ein offenbarungsähnliches Erlebnis hatte, sondern eher auf ein Wechselspiel zwischen Amüsement und Bedauern darüber, dass offenbar Jahrhunderte philosophischer Eröterungen übersprungen werden (Ihre Position würde wohl in der Philosophie unter den harten Determinismus fallen), um mit naturwissenschaftlichem Geltungsanspruch einen durch die leichtfertige Anwendung verschiedener Konzepte selbsterzeugten Widerspruch zu forcieren. Ich will nicht in Abrede stellen, dass Sie sicherlich ein hervorragender theoretischer Physiker sind, der sich nicht nur auf dem Gebiet dynamischer Systeme verdient gemacht hat und zweifelsfrei viel zum Thema Determinismus beitragen kann, allein, ob die andere Seite des Problems, eben jene des Begriffs vom “freien Willen” weitgehend geklärt wurde, bin ich geneigt zu bezweifeln. Ihre dritte These lautet:”Der freier Wille ist eine Illusion, dennoch sind wir verantwortlich für das was wir tun.” Diese Position untermauern Sie im Forum mit der Metapher eines Kühlschranks, die darauf hinausläuft, dass wir den momentanen Gehirnzustand zwar nicht beeinflussen können, aber sehr wohl den langfristigen. Mir stellte sich nun die Frage: aber wie denn das? Wenn mein momentaner Gehirnzustand alles festlegt, dann legt er doch auch fest, was ich tue oder plane zu tun und somit auch das, was langfristig eine Veränderung meiner Gehirnzustände bewirken könnte.
    Desweiteren entkoppeln Sie die Begriffe von Verantwortung und freiem Willen, während man die Bedeutungen der Begriffe derart entfremden müsste, um sie nicht mehr in einem wechselseitigen Bedingungsverhältnis stehen zu lassen. Vielleicht könnte man lieber von einem freien Willen sprechen, der sich im Urteilen einer Person festmacht. Wenn eine Person in der Lage ist, Motive gegeneinander abzuwägen, sprechen wir ihr unter bestimmten weiteren Voraussetzungen Verantwortung und zugleich einen freien Willen zu. Ein Zwangsgestörter hingegen hat einen Willen nur in dem Sinne, dass daraus “ein” Handeln resultiert, nicht aber “sein” Handeln als einer Person, die durch Reflektion zu ihrer Tat gelangte, da ihr Denken und Urteilen die eben ausgeführte Handlung als unvernünftig bewertete. In dem Sinne würde man ihm einen freien Willen absprechen. Es gibt nun noch viele Arten von Einschränkungen der Freiheit des Willens, die hier genannt werden könnten, doch sollte dieses Beispiel nur als kleine Begriffsanregung dienen. Die Vorstellung von Determiniertheit oder Bedingtheit assoziiert man schnell mit Unfreiheit, dabei ist Bedingtheit gerade eine Voraussetzung der Willensfreiheit, da ich, wenn ich durch nichts bedingt wäre, allein aus dem Zufall heraus leben würde, und wie es ist, wenn eine Person nur dem Zufall unterworfen wäre, bekommen wir bei manchen psychisch schwer beeinträchtigten Personen mit, deren Motive wir nicht im mindestens ergründen können und deren Handeln uns deshalb zufällig erscheint, was dann dazu führt, dass wir ihnen Verantwortung und einen freien Willen gerade absprechen. Determiniertheit ist also die Voraussetzung für einen freien Willen, es kommt nur darauf an, woher diese Determiniertheit resultiert. (Meinetwegen kann man auch irgendwann sagen, welches Gehirnareal das letzte Wort im motorischen Kortex haben muss, damit die Person hinter dem Gehirn als in ihrem Willen frei gilt, doch die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse scheinen hier noch weit entfernt von dem Ziel einer vollständigen Aufklärung zu sein). Nun ist das Abwägen von Motiven, das Urteilen, sicherlich alles andere, als eine scharfe naturwissenschaftliche Formulierung, doch besitzt diese Thematik auch erst seit jüngerer Zeit eine gewisse Schnittstelle zu dem, was gemeinhin Naturwissenschaft genannt wird. Dass das Urteilen (- das nicht nur die Projektion der hier hinter stehenden Gehirnprozesse auf die bewusste Ebene bedeuten soll, sondern eben auch diese Prozesse selbst -) seinerseits wiederum determiniert ist, ist hierbei fast nicht anders denkbar, doch ist es eben determiniert aufgrund unserer Biologie und unserer bisherigen Umwelterfahrungen. Nun sind es gerade diese beiden Einflüsse, die uns zu eben dieser einen und keiner anderen Personen machen. Wäre es nicht determiniert, wäre es Zufall, doch der ist dem freien Willen eher abträglich. Nun könnte man eine dritte Kategorie eröffnen, die dann allerdings der Mystik entlehnt sein müsste und infolgedessen noch weniger begriffliche Schärfe besitzen dürfte. Nietzsche hat zu jenem Widersprüche generierenden Begriff des freien Willens eine schöne Aussage getroffen:
    „Das Verlangen nach “Freiheit des Willens,” in jenem metaphysischen Superlativ-Verstande, wie er leider noch immer in den Köpfen der Halb-Unterrichteten herrscht, das Verlangen, die ganze und letzte Verantwortlichkeit für seine Handlungen selbst zu tragen und Gott, Welt, Vorfahren, Zufall, Gesellschaft davon zu entlasten, ist nämlich nichts Geringeres, als eben jene causa sui zu sein und, mit einer mehr als Münchhausen’schen Verwegenheit, sich selbst aus dem Sumpf des Nichts an den Haaren in’s Dasein zu ziehn.“
    Bleibt mir zuletzt noch auf ein Aufklärung stiftendes Buch zum freien Willen, „Das Handwerk der Freiheit“ von Peter Bieri zu verweisen.Liebe GrüßeJascha Jaworski
  2. Schuster
  3. <p>Sehr geehrter Herr Jaworski,<br />
    ich freue mich über Ihre Fragen, kann sie aber beim besten Willen (!) nicht besser beantworten, als ich sie bisher mehrfach hier beantwortet habe. Ich bin eben kein Philosoph sondern ein Naturwissenschaftler und, wie Sie sagten, ein harter Determinist. Für den gibt es keine freien Willen, da deterministische Naturgesetze alle Vorgänge im Gehirn bestimmen. Einem Physikerkollegen, dem ich das einmal erläuterte, fand, dass das selbstverständlich, ja trivial sei und ihn nicht im Geringsten verwundere oder beunruhige. So verschieden sind unsere Denkkulturen. Also leider keine neue Lösung. PS: Werde mir mal das Buch von Herrn Bieri ansehen, Danke für den Hinweis.</p>Nachtrag: Habe mir Bieris Buch angesehen und bin nicht überzeugt. Kurz zusamenngefasst meine Kritik: Ohne Einschluss von Resultaten der Neurobiologie ist eine sachgerechte Diskussion über Willensfreiheit unmöglich.Hier ein Hinweis auf eine gute Webseite dazu: http://www.tabvlarasa.de/25/Spaet.php
  4. Jascha JaworskiIch habe die Kritik von Patrick Spät gelesen, und muss sagen, dass ich Bieris Buch offenbar anders gelesen habe. Ich halte die Zusammenfassung für nicht gerechtfertigt, da Bieri gerade darauf abzielt, darzustellen, dass es sehr auf den Begriff, die Idee, das Konzept des “freien Willens” ankommt. Gerade dieses ist in den Köpfen der meisten Menschen sehr unausgereift und lebt von vorschnellen Assoziationen, die zu Widersprüchen führen. Kein Zweifel, dass der Determinismus in den Bereich der Naturwissenschaft fällt, unser Denken über einen freien Willen hingegen, ist eher Angelegenheit von Philosophie und Kognitionswissenschaft. Was das Konzept des “freien Willens” beinhaltet, was wir damit meinen, kann uns auch die Neurowissenschaft nicht vermitteln, da die Abbildung der Stoffwechselprozesse in bestimmten Gehirnarealen ein nur sehr grobes Maß für geistige Aktivität ist. Dass die Neurowissenschaft nun sagt, dass unser Bewusstsein und Denken vom Gehirn produziert werden und determiniert sind, ist hingegen eine Tatsache , die ich für trivial halte und die ich gar nicht anders denken kann, außer ich entwickle einen religiösen Glauben, der verschleiernd darauf hinweist, dass die Freiheit des Willens “in jenem metaphysischen Superlativ-Verstande”, wie Nietzsche es sagt, “irgendwie” entsteht. Bieri führt sehr schön aus, wie die alltägliche Idee dessen, was freier Wille ist, schnell in die Irre führt, da die Idee gar keine schlüssige ist, einfach weil man i. d. R. nur den Alltagsbegriff zur Hand hat. Dass die Transparenzfähigkeit des Alltagsdenkens nun wiederum schnell an ihre Grenze gelant, sollte besonders innerhalb der Physik ein bekanntes Phänomen sein. Vielleicht mögen Sie ja einmal darlegen, was Sie unter einem freien Willen verstehen. Und vielleicht mögen Sie ja zudem erläutern, welche Erkenntnisse Sie aus den berühmten Experimenten von Benjamin Libet gezogen haben und welche weiteren Erkenntnisse der Neurowissenschaft Sie für wichtig in der Frage Ihres Konzeptes vom freien Willen Sie halten.Liebe GrüßeJascha Jaworski
  5. SchusterSehr geehrter Herr Jaworski,
    Libets Experiment habe ich meinem Buch auf den Seiten 107-188 ausführlich erläutert und diskutiert, das wäre vielleicht mal interessant für Sie zu lesen. Auf der Internetseite der FAZ zum Thema habe ich gerade das neue wunderbare Experiment von Herrn Haynes (vergl. oben rechts auf dieser Webpage) zum freien Willen verwendet um ein bisschen die Philosophen zu necken. http://www.faz.net/s/RubCF3AEB154CE64960822FA5429A182360/Doc~E6F119C1DEED34434B6C1A13EBEE0A4DB~ATpl~Ekom~SKom~Ak~E.html
  6. Jascha JaworskiSehr geehrter Herr Schuster,necken Sie nur weiter die Philosophen, solange es solche Exemplare sind, die es sich verdient haben. Aber ich sehe schon, das Problem besteht weiterhin. Jeder brabelt vom freien Willen und nur diejenigen schreien über die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse oder sprechen vom Menschenbildwandel, bei denen folgende Definition im Denken (oder eben in neuronalen Prozessen ;) repräsentiert war:
    freier Wille := Indeterminismus. Manch ein anderer hingegen kann sich nur ins Fäustchen lachen, dass dieses gespenstige Konzept wieder und wieder propagiert wird. Es ist, als sollte die Neurowissenschaft darüber entscheiden, ob der Mensch Wubbeligkeit hat oder nicht. Solange ich mir nicht klar darüber bin, welche Phänomene hinter dem Begriff stehen, kann ich nicht über seine empirische Adäquatheit entscheiden. Denkt man genauer über diese “freier Wille = Indeterminismus”-Formel nach, erkennt man hingegen, dass solch ein Konzept nur davon lebt, dass man es nie zu Ende gedacht hatte. Und das würde ich mir sowohl von Physikern, Neurowissenschaftlern, als auch Philosophen wünschen. Den Theologen hingegen, würde ich zugestehen, dass sie neben Determinismus und Zufall noch eine dritte Kategorie hätten, die dann als Quelle eines “wahren” freien Willens dienen könnte, Vielen Dank für die Seitenempfehlung in ihrem Buch, könnten Sie mir eventuell noch die Seite nennen, auf der Sie über den freien Willen aufklären? Ich frage mich eben, weshalb Determiniertheit so schlimm sein soll, wäre mein Wille wirklich freier, wenn er dem Zufall unterliegen würde? Wäre es dann eigentlich noch mein Wille? Ich glaube, hierbei handelt es sich um eine wirkliche Ebenenverwechslung!Liebe GrüßeJascha Jaworski
  7. SchusterSehr geehrter Herr Jaworski,
    vielleicht lesen Sie wirklich erst mal die angebenen Seiten in meinem Buch und sehen sich das Haynes Experiment in der Originalveröffentlichung an, bevor wir weiterdiskutieren. Ich bin schon ernsthaft daran interessiert das Problem zu klären. Um “Wubbeligkeit” – so schön ich das Wort finde- geht es definitiv nicht. Noch ein Hinweis, verfolgen Sie mal die schon fast gespenstisch anmutende Diskussion in der Faz (webpage in meiner vorigen Antwort).
  8. Jascha JaworskiBemerkung: Mehrere vorangegange Fragen von Herrn Jaworski sind unter “Ältere Kommentare” zu finden.Sehr geehrter Herr Schuster,die Diskussion auf jener Webpage habe ich verfolgt und empfand sie teilweise als sehr unfruchtbar, haben Sie jedoch die Beiträge von Herrn Wrede gelesen? Leider gehen diese in all dem Störrauschen etwas unter. Einer Ihrer Beiträge lautete:
    “Die Versuchspersonen wurden instruiert einen rechten oder linken Knopf zu drücken und Haynes et al. konnten aus Hirndaten etwa 10 sec. früher vorhersagen wie sich die Personen entschieden haben noch bevor die Personenselbst den Entschluss gefasst hatten. Also der Willensentschluss war also bereits vorher unbewusst im Gehirn gefallen”. Was ich diesen Experimenten aus psychologischer Sicht ankreiden muss, ist, dass die Entscheidung, die die Versuchspersonen zu treffen hatten, eine wenig bedeutungsvolle für diese war. Es ging um links oder rechts und dies nicht im politischen Sinne. Vielleicht sind bei solchen Entscheidungen ganz andere Gehirnprozesse am Werk, als etwa bei der Entscheidung, ob eine Person eine andere ehelichen möchte oder nicht. Aber wie gesagt, ich finde die Ergebnisse der Experimente nicht beunruhigend, sondern ganz natürlich. Ich gehe davon aus, dass mein Denken auf neuronalen Prozessen beruht und als Epiphänomenalist betrachte ich das Bewusstsein sowieso bloß als Durchgangsstation, als Projektionsfläche einiger dieser Prozesse.
    Ihre Seitenangaben will ich gern lesen, möchte Ihnen zugleich aber noch einmal ans Herz legen, auch Bieris Buch und nicht etwa nur eine schlechte Zusammenfassung mit implementierter Kritik davon zu lesen.
    Schön hätte ich es außerdem gefunden, wenn Sie die Frage in meinem ersten Beitrag hätten beantworten können.

    Liebe Grüße

    Jascha Jaworski

  9. SchusterSehr geehrter Herr Jaworski,
    Ja, jetzt haben wir beide was zu lesen. Wie Sie in meinem Buch sehen werden, stimme ich mit Ihrer Kritik am Haynes Experiment (dort noch dem Libet Experiment) überein. Können Sie bitte noch mal die Frage – wenn möglich in einem Satz- genau formulieren, auf die Sie eine Antwort wollen, Ihr erster Beitrag war sehr lang.
  10. Jascha JaworskiSehr geehrter Herr Schuster,gut, dann hoffe ich, dass Sie mindestens so viel Freude am Lesen haben werden, wie ich. Nun erneut meine Frage:
    Wenn mein Gehirn kurzfristig nicht verantwortlich ist für sein Handeln, aus Gründen seiner Determiniertheit, warum dann langfristig, wenn doch der kurzfristige Zustand auf seine determinierte Weise bestimmt, welche Außen- und Innenreize mein Gehirn sich selbst vorgibt, so dass diese Reize es langfristig verändern könnten?
    (Eine Art Vererbung der Determiniertheit)
  11. In Bieri’s (in schönen Worten geschriebenem) Buch „Das Handwerk der Freiheit“ ist. m.E.. der Denkfehler ist auf Seite 19 der Fischer Ausgabe zu finden. Während es dort auf Seite 18 unten noch heißt: „Auch für das was wir tun, schreibt sich die Vergangenheit nach ehernen Gesetzen in die Zukunft fort (das ist klarer Determinismus, mit dem ich einverstanden bin), schreibt er später (auf Seite 19). „Die Linie unseres Handelns hat eine Vielfalt möglicher Verzweigungen“ (damit bin ich natürlich auch noch einverstanden), aber dann geht es bei ihm weiter.. . „Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass mir all diese Handlungen offenstehen“.
    Das ist Bieri’s Überzeugung, die aber, m.E. eine Selbsttäuschung ist. Denn worauf besteht diese Überzeugung? Auf reinem Gefühl, denn Bieri schreibt weiter„Es ist mir unmöglich, mir vorzustellen ich hätte keine Wahl“.
    Aber, wie ich auf Seite 111 meines Buches schreibe, gilt nach all dem was wir aus Experimenten über unser Gehirn wissen „Wir können nur so handeln wie es unsere Persönlichkeit bestimmt, die genetisch Bedingungen und durch unsre Lebenserfahrung geprägt ist“. Noch einmal: Auch für unser Gehirnfunktionen gelten die Naturgesetze, damit ist es aus mit dem freien Willen.
    Der Rest von Bieri’s Buch besteht für mich aus schönen Geschichten, (die in alltäglich gebrauchten Worten und nicht in Fachbegriffen der Neurologie) physikalische Prozesse beschreiben, die auftreten wenn sich unser Gehirn an gesellschaftliche Ansprüche anpasst. Das ist zwar ganz lustig geschrieben, ändert aber nichts an der falschen Prämisse am Anfang des Buches, die den wahren Sachverhalt nicht erhellt sondern verschleiert.
    Der wahre Sachverhalt besteht m.E. darin, dass sich das deterministische System Mensch, je nach Beschaffenheit des Gehirns und des Körpers verschieden gut an äußere (gesellschaftliche Zwänge) anpassen kann. Da unser Gehirn aus einem sehr komplexen Netzwerk aus Neuronen besteht, und auch unsere gesellschaftlichen Verflechtungen komplex sind, ist es schwierig, dieses Wechselspiel von gesellschaftlichen und individuellen Ansprüchen im Detail naturwissenschaftlich zu beschreiben.
    Aber lieber arbeite ich mich bei diesem Problem auf einer soliden naturwissenschaftlichen Basis langsam voran, als dass ich mir die Schärfe des Problems mit Bieri’s Geschichten vordergründig betäuben lasse.
  12. Jascha JaworskiUm mich kurz zu fassen (da ich vermute, längere Statements meiner Person übergehen Sie):1. Bieri schreibt dort:”Es ist aus dieser Perspektive unmöglich, mir vorzustellen, ich hätte keine Wahl.”
    (Sie haben falsch zitiert Herr Schuster).2. Bieri schreibt also nur von unserer Wahrnehmung eines freien Willens in der Weise. Ebenso nehmen wir ein Ich, Farben oder den sozialen Status wahr, alles Dinge, die nur in unser Wahrnehmung existieren, nicht aber in der Außenwelt.

    3. Bieris Leistung besteht darin, das Konzept eines indeterminierten freien Willens durch logische Überlegungen zu verwerfen, will heißen, es braucht gar nicht erst Experimente, die uns darauf hinweisen, dass unser Wille determiniert ist. (Davon abgesehen, bewiesen haben die Experimente dies ja nun auch noch nicht, sie haben in einem bestimmten Entscheidungsbereich lediglich darauf hingewiesen)

    4. Bieri schreibt nicht in neurologischen oder neurowissenschaftlichen Begriffen, da dies auch reichlich kindisch wäre, mir ist bisher kein wissenschaftlicher Begriff des freien Willens untergekommen. Und wenn es sich ums Denken handelt, ist innerhalb der neurowissenschaftlichen Disziplin lediglich von “höheren neuronalen Prozessen” die Rede, von “neokortikaler Aktivität”, doch ist man weit weit entfernt von irgendeinem grundlegenderen Verständnis.

    5. Bieri betäubt wohl eher nicht, sondern zieht den Leser aus einem Kurzschlussdenken heraus. Aus einem unlogischen, mystischen Begriff des freien Willens.

    6. Beantworten Sie noch die Frage, die ich am 29. Juli gestellt habe?

  13. SchusterLieber Herr Jaworski,1. Es gibt sehr konkrete Vorstellungen darüber wie in unserem Gehirn „Willensentschlüsse“ durch ein Zusammenspiel von Hirnarealen zustande kommen. Auf den Seiten 110-118 meines Buches finden Sie eine zunächst phänomenologische Beschreibung, wie wir uns einen (sozusagen demokratisch gefassten) Willensentschluss auf neuronaler Ebene vorzustellen haben. Genaueres finden Sie im Artikel „First Steps Toward a Theory of Mental Life „ , den Sie oben rechts auf rechts auf dieser Webpage anklicken und lesen können. Das neueste Zitat zu diesem Thema ist (2008): “Decision Making “in Nature Reviews of Neuroscience 11 page 398 .2. Ihre Frage (vom 29. Juli) habe ich schon, so gut ich kann, hier im Kommentarteil in meiner Antwort an den Determinist beantwortet. Mehr dazu steht auch wieder in meinem Buch.

    Unser Dialog zeigt voll die Probleme, die bei einer Diskussion zwischen den Snow’schen Kulturen auftreten, aber damit können wir, glaube ich, beide leben.

  14. Jascha Jaworski |Lieber Herr Schuster,ich habe den Artikel gelesen. Danke für den Hinweis. Die Erkenntnisse darüber, dass das Weber-Fechner-Gesetz offenbar auch auf Wahrnehmungsleistungen bezüglich der Anzahl von Objekten operiert, waren für mich neu und spannend. Auch gefiel mir das Eingeständnis des Autors, dass bisher die meisten neurowissenschaftlichen Ergebnisse (weil sie auf Bildgebung beruhen) rein korrelativer Natur sind und deshalb eine explanatorische (weil kausale) Lücke verbleibt, die erst durch weitere Experimente unter Verwendung der transkraniellen Magnetstimulation verkleinert werden könnte.Meine Einwände:

    1. Wollen Sie wirklich von konkreten Vorstellungen darüber sprechen, wie in unserem Gehirn Willensentschlüsse zustande kommen, wenn Theorien hierzu lediglich auf Experimenten mit extrem einfachen Entscheidungskriterien (z.B. “Anzahl größer oder kleiner als Vergleichsprobe”) beruhen?
    Ich gehe davon aus, dass es in Ihrem Alltagsdasein zu Entscheidungen kommt, die bedeutungsvoller sind. Und eben solche Entscheidungsprozesse sind bisher neurowissenschaftlich noch nicht im mindesten erschlossen worden. (Wahrscheinlich eben weil sie sich nicht in ein einfaches mathematisches Modell pressen lassen). Man hat noch nicht einmal eine theoretische Sprache, in der man sie formulieren könnte.

    2. Theorien zum Zusammenspiel von Hirnarealen sind mir durchaus bekannt, jene Stellen im Text schienen mir allerdings nichts neues beizutragen, da der Dreiklang: okzipitotemporaler Kortex (Reizwahrnehmung), intraparietaler Kortex (Aufgabenbearbeitung), prä-/motorischer Kortex (Aufgabenantwort) nichts weiter erklärt, als eine mögliche (und zwar grobe) Einteilung der Gesamtaufgabe in drei Stufen mit dazugehörigen, weil aktiven Arealen. Welche Prozesse genau in den Arealen ablaufen, wird wohl noch lange Zeit unbekannt sein, besonders weil man komplexe Aufgaben wohl kaum durch Referenz auf Areale, sondern erst unter Berücksichtigung der Mechanismen und Prozesse auf der Ebene von Zellverbänden erklären kann, und hierzu ist bisher noch nicht einmal bekannt, welche Codes die Neuronen zur Kommunikation verwenden.

    3. Hierbei handelt es sich, so glaube ich, um keinen Streit der Snow´schen Kulturen, ist mir die Argumentationskultur von Psychophysikern und Mathematikern, die im in diesem Bereich arbeiten doch sehr wohl bekannt. Doch auf die Idee, dass sich mit solchen noch in den Kinderschuhen steckenden Experimentalerkenntnisse eine sinnvolle naturwissenschaftliche Diskussion über den freien Willen führen ließe, ist mir bisher bei keinem von diesen untergekommen.

    Könnten Sie mir vielleicht noch sagen, ob in Ihrem Buch irgendwo eine Definition dessen zu finden ist, was sie sich unter einem freien Willen vorstellen? Die Determiniertheit unserer Entscheidungen durch Umwelt und Gene ist eine mir nicht ausreichende Definition, da diese auch bei nicht Vorliegen neuerer neurowissenschaftlicher Erkenntnisse gar nicht anders (naturwissenschaftlich) denkbar wäre.

  15. Jascha Jaworski |Bemerkung: Mehrere vorangegange Fragen von Herrn Jaworski sind unter “Ältere Kommentare” zu finden.

    Sehr geehrter Herr Schuster,

    die Diskussion auf jener Webpage habe ich verfolgt und empfand sie teilweise als sehr unfruchtbar, haben Sie jedoch die Beiträge von Herrn Wrede gelesen? Leider gehen diese in all dem Störrauschen etwas unter. Einer Ihrer Beiträge lautete:
    “Die Versuchspersonen wurden instruiert einen rechten oder linken Knopf zu drücken und Haynes et al. konnten aus Hirndaten etwa 10 sec. früher vorhersagen wie sich die Personen entschieden haben noch bevor die Personenselbst den Entschluss gefasst hatten. Also der Willensentschluss war also bereits vorher unbewusst im Gehirn gefallen”. Was ich diesen Experimenten aus psychologischer Sicht ankreiden muss, ist, dass die Entscheidung, die die Versuchspersonen zu treffen hatten, eine wenig bedeutungsvolle für diese war. Es ging um links oder rechts und dies nicht im politischen Sinne. Vielleicht sind bei solchen Entscheidungen ganz andere Gehirnprozesse am Werk, als etwa bei der Entscheidung, ob eine Person eine andere ehelichen möchte oder nicht. Aber wie gesagt, ich finde die Ergebnisse der Experimente nicht beunruhigend, sondern ganz natürlich. Ich gehe davon aus, dass mein Denken auf neuronalen Prozessen beruht und als Epiphänomenalist betrachte ich das Bewusstsein sowieso bloß als Durchgangsstation, als Projektionsfläche einiger dieser Prozesse.
    Ihre Seitenangaben will ich gern lesen, möchte Ihnen zugleich aber noch einmal ans Herz legen, auch Bieris Buch und nicht etwa nur eine schlechte Zusammenfassung mit implementierter Kritik davon zu lesen.
    Schön hätte ich es außerdem gefunden, wenn Sie die Frage in meinem ersten Beitrag hätten beantworten können.

    Liebe Grüße

    Jascha Jaworski

  16. SchusterSehr geehrter Herr Jaworski,
    Ja, jetzt haben wir beide was zu lesen. Wie Sie in meinem Buch sehen werden, stimme ich mit Ihrer Kritik am Haynes Experiment (dort noch dem Libet Experiment) überein. Können Sie bitte noch mal die Frage – wenn möglich in einem Satz- genau formulieren, auf die Sie eine Antwort wollen, Ihr erster Beitrag war sehr lang.

  17. Jascha JaworskiSehr geehrter Herr Schuster,

    gut, dann hoffe ich, dass Sie mindestens so viel Freude am Lesen haben werden, wie ich. Nun erneut meine Frage:
    Wenn mein Gehirn kurzfristig nicht verantwortlich ist für sein Handeln, aus Gründen seiner Determiniertheit, warum dann langfristig, wenn doch der kurzfristige Zustand auf seine determinierte Weise bestimmt, welche Außen- und Innenreize mein Gehirn sich selbst vorgibt, so dass diese Reize es langfristig verändern könnten?
    (Eine Art Vererbung der Determiniertheit)

  18. SchusterIn Bieri’s (in schönen Worten geschriebenem) Buch „Das Handwerk der Freiheit“ ist. m.E.. der Denkfehler ist auf Seite 19 der Fischer Ausgabe zu finden. Während es dort auf Seite 18 unten noch heißt: „Auch für das was wir tun, schreibt sich die Vergangenheit nach ehernen Gesetzen in die Zukunft fort (das ist klarer Determinismus, mit dem ich einverstanden bin), schreibt er später (auf Seite 19). „Die Linie unseres Handelns hat eine Vielfalt möglicher Verzweigungen“ (damit bin ich natürlich auch noch einverstanden), aber dann geht es bei ihm weiter.. . „Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass mir all diese Handlungen offenstehen“.
    Das ist Bieri’s Überzeugung, die aber, m.E. eine Selbsttäuschung ist. Denn worauf besteht diese Überzeugung? Auf reinem Gefühl, denn Bieri schreibt weiter„Es ist mir unmöglich, mir vorzustellen ich hätte keine Wahl“.
    Aber, wie ich auf Seite 111 meines Buches schreibe, gilt nach all dem was wir aus Experimenten über unser Gehirn wissen „Wir können nur so handeln wie es unsere Persönlichkeit bestimmt, die genetisch Bedingungen und durch unsre Lebenserfahrung geprägt ist“. Noch einmal: Auch für unser Gehirnfunktionen gelten die Naturgesetze, damit ist es aus mit dem freien Willen.
    Der Rest von Bieri’s Buch besteht für mich aus schönen Geschichten, (die in alltäglich gebrauchten Worten und nicht in Fachbegriffen der Neurologie) physikalische Prozesse beschreiben, die auftreten wenn sich unser Gehirn an gesellschaftliche Ansprüche anpasst. Das ist zwar ganz lustig geschrieben, ändert aber nichts an der falschen Prämisse am Anfang des Buches, die den wahren Sachverhalt nicht erhellt sondern verschleiert.
    Der wahre Sachverhalt besteht m.E. darin, dass sich das deterministische System Mensch, je nach Beschaffenheit des Gehirns und des Körpers verschieden gut an äußere (gesellschaftliche Zwänge) anpassen kann. Da unser Gehirn aus einem sehr komplexen Netzwerk aus Neuronen besteht, und auch unsere gesellschaftlichen Verflechtungen komplex sind, ist es schwierig, dieses Wechselspiel von gesellschaftlichen und individuellen Ansprüchen im Detail naturwissenschaftlich zu beschreiben.
    Aber lieber arbeite ich mich bei diesem Problem auf einer soliden naturwissenschaftlichen Basis langsam voran, als dass ich mir die Schärfe des Problems mit Bieri’s Geschichten vordergründig betäuben lasse.

  19. Jascha JaworskiUm mich kurz zu fassen (da ich vermute, längere Statements meiner Person übergehen Sie):

    1. Bieri schreibt dort:”Es ist aus dieser Perspektive unmöglich, mir vorzustellen, ich hätte keine Wahl.”
    (Sie haben falsch zitiert Herr Schuster).

    2. Bieri schreibt also nur von unserer Wahrnehmung eines freien Willens in der Weise. Ebenso nehmen wir ein Ich, Farben oder den sozialen Status wahr, alles Dinge, die nur in unser Wahrnehmung existieren, nicht aber in der Außenwelt.

    3. Bieris Leistung besteht darin, das Konzept eines indeterminierten freien Willens durch logische Überlegungen zu verwerfen, will heißen, es braucht gar nicht erst Experimente, die uns darauf hinweisen, dass unser Wille determiniert ist. (Davon abgesehen, bewiesen haben die Experimente dies ja nun auch noch nicht, sie haben in einem bestimmten Entscheidungsbereich lediglich darauf hingewiesen)

    4. Bieri schreibt nicht in neurologischen oder neurowissenschaftlichen Begriffen, da dies auch reichlich kindisch wäre, mir ist bisher kein wissenschaftlicher Begriff des freien Willens untergekommen. Und wenn es sich ums Denken handelt, ist innerhalb der neurowissenschaftlichen Disziplin lediglich von “höheren neuronalen Prozessen” die Rede, von “neokortikaler Aktivität”, doch ist man weit weit entfernt von irgendeinem grundlegenderen Verständnis.

    5. Bieri betäubt wohl eher nicht, sondern zieht den Leser aus einem Kurzschlussdenken heraus. Aus einem unlogischen, mystischen Begriff des freien Willens.

    6. Beantworten Sie noch die Frage, die ich am 29. Juli gestellt habe?

  20. SchusterLieber Herr Jaworski,

    1. Es gibt sehr konkrete Vorstellungen darüber wie in unserem Gehirn „Willensentschlüsse“ durch ein Zusammenspiel von Hirnarealen zustande kommen. Auf den Seiten 110-118 meines Buches finden Sie eine zunächst phänomenologische Beschreibung, wie wir uns einen (sozusagen demokratisch gefassten) Willensentschluss auf neuronaler Ebene vorzustellen haben. Genaueres finden Sie im Artikel „First Steps Toward a Theory of Mental Life „ , den Sie oben rechts auf rechts auf dieser Webpage anklicken und lesen können. Das neueste Zitat zu diesem Thema ist (2008): “Decision Making “in Nature Reviews of Neuroscience 11 page 398 .

    2. Ihre Frage (vom 29. Juli) habe ich schon, so gut ich kann, hier im Kommentarteil in meiner Antwort an den Determinist beantwortet. Mehr dazu steht auch wieder in meinem Buch.

    Unser Dialog zeigt voll die Probleme, die bei einer Diskussion zwischen den Snow’schen Kulturen auftreten, aber damit können wir, glaube ich, beide leben.

  21. Jascha JaworskiLieber Herr Schuster,

    ich habe den Artikel gelesen. Danke für den Hinweis. Die Erkenntnisse darüber, dass das Weber-Fechner-Gesetz offenbar auch auf Wahrnehmungsleistungen bezüglich der Anzahl von Objekten operiert, waren für mich neu und spannend. Auch gefiel mir das Eingeständnis des Autors, dass bisher die meisten neurowissenschaftlichen Ergebnisse (weil sie auf Bildgebung beruhen) rein korrelativer Natur sind und deshalb eine explanatorische (weil kausale) Lücke verbleibt, die erst durch weitere Experimente unter Verwendung der transkraniellen Magnetstimulation verkleinert werden könnte.

    Meine Einwände:

    1. Wollen Sie wirklich von konkreten Vorstellungen darüber sprechen, wie in unserem Gehirn Willensentschlüsse zustande kommen, wenn Theorien hierzu lediglich auf Experimenten mit extrem einfachen Entscheidungskriterien (z.B. “Anzahl größer oder kleiner als Vergleichsprobe”) beruhen?
    Ich gehe davon aus, dass es in Ihrem Alltagsdasein zu Entscheidungen kommt, die bedeutungsvoller sind. Und eben solche Entscheidungsprozesse sind bisher neurowissenschaftlich noch nicht im mindesten erschlossen worden. (Wahrscheinlich eben weil sie sich nicht in ein einfaches mathematisches Modell pressen lassen). Man hat noch nicht einmal eine theoretische Sprache, in der man sie formulieren könnte.

    2. Theorien zum Zusammenspiel von Hirnarealen sind mir durchaus bekannt, jene Stellen im Text schienen mir allerdings nichts neues beizutragen, da der Dreiklang: okzipitotemporaler Kortex (Reizwahrnehmung), intraparietaler Kortex (Aufgabenbearbeitung), prä-/motorischer Kortex (Aufgabenantwort) nichts weiter erklärt, als eine mögliche (und zwar grobe) Einteilung der Gesamtaufgabe in drei Stufen mit dazugehörigen, weil aktiven Arealen. Welche Prozesse genau in den Arealen ablaufen, wird wohl noch lange Zeit unbekannt sein, besonders weil man komplexe Aufgaben wohl kaum durch Referenz auf Areale, sondern erst unter Berücksichtigung der Mechanismen und Prozesse auf der Ebene von Zellverbänden erklären kann, und hierzu ist bisher noch nicht einmal bekannt, welche Codes die Neuronen zur Kommunikation verwenden.

    3. Hierbei handelt es sich, so glaube ich, um keinen Streit der Snow´schen Kulturen, ist mir die Argumentationskultur von Psychophysikern und Mathematikern, die im in diesem Bereich arbeiten doch sehr wohl bekannt. Doch auf die Idee, dass sich mit solchen noch in den Kinderschuhen steckenden Experimentalerkenntnisse eine sinnvolle naturwissenschaftliche Diskussion über den freien Willen führen ließe, ist mir bisher bei keinem von diesen untergekommen.

    Könnten Sie mir vielleicht noch sagen, ob in Ihrem Buch irgendwo eine Definition dessen zu finden ist, was sie sich unter einem freien Willen vorstellen? Die Determiniertheit unserer Entscheidungen durch Umwelt und Gene ist eine mir nicht ausreichende Definition, da diese auch bei nicht Vorliegen neuerer neurowissenschaftlicher Erkenntnisse gar nicht anders (naturwissenschaftlich) denkbar wäre.

  22. SchusterLiber Herr Jaworski,

    Ich habe Ihnen die derzeit möglichen Argumente gegen die Existenz eines freien Willens mit neuesten Zitaten vorgelegt. Das härteste Argument -das Sie auch in Ihrem letzen Satz anerkennen- ist die Determiniertheit unserer Entscheidungen durch Umwelt und Gene .
    Hierzu nochmals Teile meines Textes vom 17. August:
    Aber, wie ich auf Seite 111 meines Buches schreibe, gilt nach all dem was wir aus Experimenten über unser Gehirn wissen „Wir können nur so handeln wie es unsere Persönlichkeit bestimmt, die genetisch Bedingungen und durch unsre Lebenserfahrung geprägt ist“. Noch einmal: Auch für unser Gehirnfunktionen gelten die Naturgesetze, damit ist es aus mit dem freien Willen.
    Der wahre Sachverhalt besteht m.E. darin, dass sich das deterministische System Mensch, je nach Beschaffenheit des Gehirns und des Körpers verschieden gut an äußere (gesellschaftliche Zwänge) anpassen kann. Da unser Gehirn aus einem sehr komplexen Netzwerk aus Neuronen besteht, und auch unsere gesellschaftlichen Verflechtungen komplex sind, ist es schwierig, dieses Wechselspiel von gesellschaftlichen und individuellen Ansprüchen im Detail naturwissenschaftlich zu beschreiben.
    Aber lieber arbeite ich mich bei diesem Problem auf einer soliden naturwissenschaftlichen Basis langsam voran, als dass ich mir die Schärfe des Problems mit Bieri’s Geschichten vordergründig betäuben lasse.

    Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.

  23. Jascha JaworskiLieber Herr Schuster,

    vielen Dank für Ihre Ausführungen, doch die Determiniertheit unserer Entscheidungen durch Umwelt und Gene ist kein Argument gegen den freien Willen (außer man definiert sich diesen Begriff so, dass er bei Vorhandensein der Determiniertheit nicht gültig ist), sondern eine naturwissenschaftliche Voraussetzung. Um mehr ging es mir nicht, doch konnte ich Ihnen dies offenbar nicht vermitteln. Wenn es nicht Umwelt und Gene wären, wer würde sonst entscheiden? Der Zufall? Aber würde der Zufall zu meinem freien Willen beitragen? Wenn ich vollständig zufällig handelte, wäre ich es dann eigentlich noch, der handelte?

    Dies war der eigentliche Konfliktpunkt und auch das Thema von Bieris Buch.

  24. Jascha JaworskiKurzer Nachtrag:

    Bevor man durch Experimente einen “freien Willen” verwerfen kann, muss man sich zunächst darüber im Klaren sein, was unter diesem zu verstehen ist. Und dies wurde mir leider nirgends genannt. Weshalb mir experimentelle Erkenntnisse an dieser Stelle wie Donquichotterie erscheinen, denn nur weil Geigerzähler oder Amperemeter auf dem Tisch stehen, handelt es sich noch nicht um eine “solide naturwissenschaftliche Basis”, solange die Fragestellung fehlt.

  25. SchusterLieber Herr Jaworski,
    irgendwie verstehe ich Sie nicht . Können Sie sich nicht innerhalb von fünf Minuten 10 Beispiele ausdenken in denen Sie sogenannte “freie Willensentscheidungen” fällen?

  26. Jascha JaworskiLieber Herr Schuster,

    das habe ich auch bereits gemerkt. Ich bitte nur darum, sich von einem Begriff des freien Willens versuchsweise zu lösen, der rein auf Indeterminiertheit beruht. Der freie Wille ist nun zunächst eine Alltagsvorstellung, die nicht der Physik entleht ist, und so kann es unterschiedliche Grade des freien Willens geben, so wie etwa auch die Freundlichkeit einer Person unterschiedliche Grade besitzt.

    Beispiele (ohne Stoppuhr verfasst und nicht zehn an der Zahl):

    – Ein Zwangsgestörter etwa, für den sein Wille quälend ist, so dass er gern einen anderen hätte und sich mit diesem nicht identifizieren kann, ist relativ unfrei in seinem Willen.

    – Wenn jemand sich hingegen für eine Reise entscheidet und seinem persönlichen Geschmack, sowie anderen Erwägungen folgt, um schließlich zu einem Resultat zu kommen, das er nicht bereut, sondern nachvollziehen kann, scheint hingegen relativ frei in seinem Willen.

    Beide Beispiele beinhalten Personen, die durch Bedingungen (Gehirn und momentane Umweltreize) determiniert sind. Der Zwangsgestörte ist jedoch durch einen Willen determiniert, den er selbst nicht nachvollziehen konnte, er wirkte ihm auferlegt, auferzwungen, und deshalb fühlte er sich unfrei. Solange mein Wille jedoch durch mein Urteilen determiniert ist, das wiederum durch andere Bedingungen determiniert ist, redet Bieri von Freiheit, weil dieses Urteilen wir selbst sind. Was soll man sonst sein, als seine Gene im Wechselspiel mit seinen bisherigen Umwelterfahrungen? Das sind wir, alles andere wäre Metaphysik oder Religion und insofern wohl kaum naturwissenschaftlich behandelbar.

    Um Sie zu bestärken: Jemand, der sagt, dass freier Wille nur dann existiert, wenn wir nicht durch Umwelt und Gene determiniert sind, wird durch die heutige neurowissenschaftliche Forschung eher in die Gegenrichtung geführt (insofern stimme ich mit Ihnen überein), doch müsste dieser bereits rein aufgrund logischer Überlegungen an seinem Konzept des freien Willens zu zweifeln beginnen, denn was soll das Gegenteil von Determiniertheit eigentlich sein, etwa Zufall? Wäre mein Wille denn frei, wenn er dem Zufall unterliegen würde? Was ist indeterminierter freier Wille? Man denke dies zu Ende.

  27. Schuster |Lieber Herr Jaworski,

    ja ich glaube jetzt kommen wir weiter. Natürlich würde ich einfache Willensentscheidungen wie „Finger krümmen Ja oder Nein“, beim Libet Experiment oder die Entscheidung den linken oder rechten Knopf drücken beim Haynes Experiment niemals als schwerwiegende typische freie Willensentscheidung bezeichnen. Aber es ist eben ein Anfang, der wenn nicht zwingend, aber doch näherungsweise zeigt wie die freie Willensentscheidung erfolgt. Nämlich so, dass wir eine Art Abstimmungsprozess der Neuronen vorliegen haben. Im Artikel „Toward a Theory of Mental Life“ wird ja ein Modell beschreiben, das den Entscheidungsprozess mathematisch abbildet auf die Bewegung eines Teilchens unter dem Einfluss statistischer Kräfte. Es wackelt hin und her, aber wenn die Stöße in eine Richtung überwiegen wandert es zum z.B. zum linken Zielpunkt und dann drücken wir den linken Knopf. Den statistischen Kräften entsprechen dabei die unterschiedlichen neuronalen Impulse. Verblüffenderweis lassen sich in dem Modell Details im Zeitablauf experimentell gemessener Entscheidungen beschreiben.

    Aber, wie oben gesagt und wie Sie sagten, so ein Prozess reicht nicht zur Beschreibung, wenn ich die freie Willensentscheidung treffen soll wohin die Reise beim Sommerurlaubgehen soll. Sogenannte freie Willensentscheidungen zeichnen sich m.E. dadurch aus, dass wir die verschiedenen Möglichkeiten vor uns sehen wie wir handeln könnten. Dann wird es kompliziert und wir wägen hin und her bis dann, vermutlich erst im Unterbewusstsein, die Abstimmung erfolgt und es dauert einige Zeit bis das Resultat in unser Bewusstsein dringt. Bieri hat, so schien es mir, versucht diesen Prozess in Alltagssprache zu fassen.
    Was mir vorschwebt ist es von einfachen Beispielen a la Libet und Haynes auszugehen um mich dann voranzuarbeiten. Dabei ist eines der Hauptprobleme, dass unsere Gehirnprozesse eben sehr, sehr schnell und mühelos für uns ablaufen. Daher können wir uns auch so leicht täuschen. Wir können so blitzschnell neue Metaebenen bilden, so dass wir bei der Entscheidungsfindung immer wieder neue Blickwinkel einnehmen können. Es wäre m.E. schon sehr spannend ein formales System zu finden, das diese Fähigkeit zur unbegrenzten Metaebenebildung hat. Natürlich gehört noch mehr dazu aber ich wollte nur mal kurz sagen, wo ich ein Problem sehe das man mit Methoden theoretischen Physik angehen kann. Ehrlich gesagt glaube ich, dass sowohl der „freie Wille“ , sowie auch unser Verantwortungsgefühl, Konstrukte im Gehirn sind, die uns im Nachhinein erst unsere eigentlich unbewusste „Rechentätigkeit im Gehirn“ bewusst und verständlich machen (und dann, und das ist das Gemeine wieder auf die unbewusste Gehirntätigkeit zurückwirken). Das ist auch alles nicht sicher bewiesen aber ich wollte kurz den Reiz verständlich machen der von solchen Ideen ausgeht. Aber was haben wir Besseres als unseren zweifelnden Verstand und wenn wir Glück haben ein paar Ideen für den, hoffentlich richtigen, Weg?

  28. Jascha JaworskiLieber Herr Schuster,

    dieser Formulierung des Sachverhalts kann ich gut zustimmen. Introspektion allein reicht sicherlich nicht aus, um uns gewahr darüber zu werden, wie ein letztendlich biologisches oder chemisches oder eben (noch tiefer) physikalisches System, das wir sind, zu Leistungen wie Intentionalität, Qualia oder Multiperspektivität befähigt ist. Ich halte es nur für wichtig, eigenständige Analyseebenen aufrechtzuerhalten. Wenn überhaupt alle Phänomene in diesem Bereich explanatorisch zugänglich sind, so wird es nicht die Physik oder die Neurowissenschaft oder Psychologie allein sein, die die volle Komplexität des Menschen erfassen und erklären könnten, sondern bedarf der interdisziplinären Zusammenarbeit und neuer Konzepte.
    Bieri wählte eine Alltagssprache, weil wir bezogen auf die Prozesse menschlicher Willensbildung noch am Anfang stehen, so schöne physikalische oder mathematische Modelle es auch geben mag, sie erfassen nur einen kleinen Ausschnitt. Und so wollte er nur eine kleine Phänomenschau unternehmen, bevor man sich allzu schnell Scheuklappen aufsetzt.

    Dann wünsche ich Ihnen alles gute auf Ihrer Entdeckungsreise.

    Liebe Grüße

    Jascha Jaworski

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