Schaffen wir die letzte Kopernikanische Wende?

Kopernikanische Wenden:

 

Die Erde dreht sich um die Sonne,(**) der Mensch stammt im Verlauf der Evolution vom Affen ab, Leben benötigt keine „Vitalkräfte“ sondern ist ein physikalisch-chemischer Prozess und jetzt, unser geistiges Leben beruht ausschließlich auf dynamischen (ebenfalls physikalisch-chemischen) Prozessen in unserem Gehirn (1).

 

 Alles nüchterne Wahrheiten, die aber das Wunder unserer Existenz nicht schmälern. Durch die rationale  Betrachtungsweise finden wir einen Zugang zur Natur, der uns erst klar macht wie wunderbar sie funktioniert und uns die Ehrfurcht vor dem Leben bewahrt. Sehen sie nur mal eine Fliege genauer and und versuche Sie den Nachbau. Es bleiben genug Geheimnisse (etwa, woher kommen die  Naturgesetze?).

 

 Da sollten wir eigentlich keine Angst davor haben auch geistige Prozess als das zu sehen was sie sind: physikalisch-chemische Prozesse, die uns keinen freien Willen lassen – die aber-  da sie fast unfassbar  komplex sind, gleichzeitig unsere Würde als Mensch bewahren, da wir sie niemals im Detail vorausberechnen können. 

(H.G. Schuster 18.7. 2008)

 (**)  Galieo-Galilei der Prozess, insbesondere der Text der Abschwörung ist lesenswert:

http://www.ethbib.ethz.ch/exhibit/galilei/galileob8.html

Es ist eigentlich einfach, aber die Wahrheit schmerzt:

 

1.Quantenmechanische Effekte (2) haben auf Gehirnprozesse (nach derzeitigem Erkenntnisstand)  keinen Einfluss (*). 2. Gehirnvorgänge sind deterministische, physikalisch-chemische Prozesse, daher haben wir keinen freien Willen. 3. Diese deterministischen Prozesse sind nichtlinear und finden in einem sehr komplexen System statt. Die Zahl der Neuronen im menschlichen Gehirn ist etwa so groß wie die Zahl der Sterne in der Milchstraße (Hundert Milliarden). Niemand kann daher praktisch das Verhalten eines Menschen  jemals im Detail aus Gehirnmessungen vorhersagen. Das bewahrt uns unsere menschliche Würde und zeigt, dass der Streit um den freien Willen einer um „Kaisers Bart“ ist (3).  Die aus obigem dennoch resultierende „kopernikanische Wende“ besteht darin einzusehen, dass das, was wir als mentale Prozesse bezeichnen, nur eine andere Sprechweise für physikalisch- chemische Prozesse ist.  Immaterielle „mentale Kräfte“ wurden niemals nachgewiesen. Wenn diese simple geistige Wende schmerzt, ist das nur ein schöner  Beweis für die – horribile dictu –  materielle Basis unserer Gedanken. Ein ausgezeichnetes Buch („Auf der Suche nach dem Gedächtnis“ , Siedler Verlag) hierzu stammt von dem Nobelpreisträger Eric Kandel, der Freud’sche Psychologie verstehen wollte und dann einsah, dass er neuronale Vorgänge betrachten musste, um etwas über mentale Prozesse zu verstehen.. . (*)Zitat: Koch, C. and K. Hepp in Nature 440: 611-612, 2006

Anmerkungen (beziehen sich auf die Ziffern im Text) :

  1. a) Bei deterministischen Systemen ist ihr Gesamtzustand -der sagt, wie sie sich verhalten- zu jedem Zeitpunkt, durch die zeitlich vorangegangenen Zustände, bestimmt, d.h. determiniert. In unserem Gehirn finden nur physikalisch-chemische, d.h. deterministische Prozesse statt. Wir sind also deterministische Systeme und handeln daher automatisch, ohne freien Willen (*).

b) immaterielle mentale  Kräfte („spirituelle Kräfte“) werden gerne herbeigezogen, um uns als, von jeder materiellen Einschränkung freie – somit also nicht mehr deterministische, und daher willensfreie – Überwesen zu definieren. Das war gemeint.

c) Gödel spielt –wegen der zeitlichen Verzögerung der Selbstbeobachtung- keine Rolle, wie ich in meinem Buch, Seite 68, detailliert ausführe.

  1. Im Zitat gemeint ist Tatsache, dass wir im Gehirn keinen Mechanismus haben, der quantenmechanische Fluktuationen verstärkt.

  1. Unser Gehirn besteht aus etwa hundert Milliarden Neuronen,  deren Verhalten wir  niemals vorhersagen können. Das macht alle Versuche mit Gehirnscans uns Verhalten detailliert vorherzusagen hinfällig. Also, obwohl wir im Prinzip Automaten sind, sind wir nicht vorhersagbar. Daher brauchen wir keine Angst davor zu haben, dass uns jemand – via Gehirnforschung- total vorherbestimmen kann. Dass, wenn wir mehr über unser Gehirn wissen, leichter beeinflussbar werden ist wahr, aber wenn wir das wissen, sind wir auch schon wieder etwas dagegen gewappnet. Es ist also ein Wettlauf.

(*)        a) Es ist klar, dass man wenn man Freiheitsgrade –wie etwa die Bewegung von Neurotransmitter Molekülen im synaptischen Spalt –  als  Schwankungen zu behandelt, dann das System  stochastisch, wird. Das macht uns dann zu stochastischen Automaten, wiederum ohne Willensfreiheit.

     Natürlich will kein Mensch gerne ein Automat sein, weil wir damit etwas Simples verbinden. Wir sind aber Automaten mit einer unvorstellbaren Komplexität. Bedenken wir nur, dass die Zahl der Neuronen in unserem Gehirn, etwa gleich der Zahl der Sterne in der Milchstrasse ist. Kant wusste schon intuitiv Bescheid, als er sagte: „Nichts erfüllt mich mit größerer Ehrfurcht, als der gestirnte Himmel über mir  und das – wie wir jetzt wissen, durch unser ähnlich komplexes Gehirn bestimmte- moralische Gesetz in mir“.

      b) Die Frage der juristischen Verantwortlichkeit, die sich sofort stellt, wenn wir keinen freien Willen haben, wird auf meiner Webseite ausführlich behandelt.Siehe, insbesondere die Antwort auf die Frage von „Determinist“, nach dem (scheinbaren) Widerspruch zwischen, nicht vorhandenem freien Willen und dennoch vorhandenerVerantwortlichkeit.

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.