Dawkins „Der Gotteswahn“

Amelie

Wie ist sind die Aussagen, die Richard Dawkins in seinem Buch „Der Gotteswahn“ macht mit Ihrem Bild vom Bewusstsein verträglich?

Schuster

Das Buch von Dawkins habe ich nur 50 Seiten weit gelesen, dann habe ich es beiseite gelegt da, ich das Gefühl hatte, jedes Weiterlesen ist schlecht für meine Seele.

Zunächst mag das sehr befremden, so eine Aussage von einem Naturwissenschaftler zu hören. Was ist die Seele, was hat sie mit Bewusstsein zu tun? Nun wir haben alle als Menschen eine bestimmte persönliche Geschichte, die als Lebenserfahrung in unserem Gedächtnis gespeichert ist, und auf die wir mal bewusst, mal weniger bewusst zugreifen. Dabei spielt es eine große Rolle wie wir die Welt betrachten, wie wir sie gefühlsmäßig einfärben. Dieses gefühlsmäßige Einfärben bestimmt stark unser ganzes Verhaltes und auch unser Weltbild und es ist, grob gesprochen, das was mit unsere Seele, oder rationaler gesprochen unsere Persönlichkeit (wörtlich „Das Durchklingende“) ausmacht. Nun kommt Dawkins und behauptet wir brauchen keinen Gott, wir brauchen keine Religion, das alles hat uns nur Schlechtes gebracht. Ja sicher, die Hexenverbrennungen waren kein Ruhmesblatt für die Kirche.

Aber wir Menschen glauben alle an etwas und wenn wir Atheisten sind, dann glauben wir an die Dominanz der Vernunft. Aber –und das ist sehr wesentlich- wenn wir noch so viel vernünftig nachdenken bleibt uns immer noch eine gewisse Unkenntnis über die Welt, etwas das wir nicht verstehen. Die Welt ist so wunderbar aufgebaut und die Gründe dafür sind so weit verborgen, dass wir einerseits einen Grundrespekt dafür haben sollten und uns anderseits auch darüber freuen können.

Diese Grundachtung vor dem Unbekannten der Welt wie wir sie vorfinden ist es, den Dawkins vermissen lässt. Daher sage ich Dawkins ist schlecht für die Seele, er leugnet das Geheimnis und geht damit an dem schönsten und auch sehr wichtigen Aspekt der Welt vorbei. Er kommt mir vor wie eine Maus, die per Konstruktion des Gehirns nicht wissen kann was eine Primzahl ist und das Manko noch nicht mal merkt. So merkt Dawkins nicht, das wir Menschen eben beschränkt sind in unserer Erkenntnis. Das braucht uns nicht daran zu hindern weiter zu forschen. Aber die Ehrfurcht vor dem Geheimnis der Natur ist nach Einstein ein, einerseits sehr beglückendes Gefühl, andererseits auch ein motivierendes Moment für jeden Naturwissenschaftler. Dass Dawkins selbst das ablehnt gefällt mir nicht.

Um es kurz zu fassen: Dawkins ist ein extremer Atheist und jede Art von Extremismus sei es religiöser sei es atheistischer ist m.E. schlecht, da er keine Zweifel zulässt und die Achtung vor den Gefühlen anderer Menschen vermissen lässt.

Aber was haben wir als Menschen denn Besseres als unseren zweifelnden Verstand und den Respekt vor dem Leben an sich?

Ergänzung am 29.9.08:

Aber ich möchte diese nüchternen Betrachtungen ergänzen.

 Unsere Seele beschreibt uns als ganze Person, sie gibt uns unsere Menschenwürde und sie ist verletzbar – wie das folgende Bibelzitat zeigt: „Was nützte es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele“. Irgendwie – auch ohne Definition „der Seele“ – weiß jeder Mensch was damit gemeint ist. Daher habe ich, auch als Naturwissenschaftler, beim Nachdenken über die „Seele“ Respekt vor dem Geheimnis.

MichaS

Zit.:>>>Diese Grundachtung vor dem Unbekannten der Welt wie wir sie vorfinden ist es, den Dawkins vermissen lässt. Daher sage ich Dawkins ist schlecht für die Seele, er leugnet das Geheimnis und geht damit an dem schönsten und auch sehr wichtigen Aspekt der Welt vorbei.

Wenn ich nach schon 50 Seiten solch ein gewichtiges Urteil über jemanden fälle (jemanden der mehrere tausend Seiten publiziert hat) müßte ich mich selbstkritisch fragen, ob oder inwiefern ich gegenüber Neuem überhaupt noch offen bin. Besonders als Wissenschaftler.

Und was Ihre Aussage bezüglich Dawkins inhaltlich betrifft rate ich Ihnen z.B. zur Lektüre des Buches “Der entzauberte Regenbogen” oder auch anderer seiner populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen. Darin kann man so ziemlich genau das Gegenteil von dem lesen, was Sie D. oben unterstellen.

Es steht Ihnen jedoch frei, auf ihrem Standpunkt zu beharren.

Schuster

Meine Aussage war: Dawkins Buch „The God Delusion“ ist schlecht für meine Seele. Das muss natürlich nicht für jeden gelten.

Aber hier meine Begründung im Detail.

Natürlich habe ich von Dawkins zB. „The Blind Watchmaker“ und „The Selfish Gene“ gelesen und ich halte Dawkins für einen ausgezeichneten Schriftsteller, der sich um die Vererbreitung naturwissenschaftlicher Erkenntnis sehr verdient gemacht hat.

In seinem Buch „The God Delusion“ geht er mir einfach zu weit was die naturwissenschaftliche Erkenntnisfähigkeit angeht. Der genaue Beleg ist auf Seite 40 zu finden.
Zitat :
Let me sum um Einsteinian religion in one more quotation from Einstein himself:
“To sense that behind anything that can be experienced there is a something that our mind cannot grasp and whose beauty and sublimity reaches us only indirectly and as a feeble reflection, this is religiousness. In this sense I am religious”.

Dawkins sagt dann:
“In this sense I am also religious” (Er teilt also die Religion Einsteins).

Aber er fährt weiter fort:
“ With the reservation that cannot grasp, does not mean forever ungraspable”.

Das zeigt den Hochmut von Dawkins. Er erkennt gar nicht wie wenig wir wissen können. Damit ähnelt er (wie ich schon sagte) einer Maus die – per fehlender Gehirnmasse – gar nicht wissen kann, dass es Primzahlen gibt und sich dieser Unkenntnis nicht einmal bewusst ist.
Aber (und das stimmt mich wieder etwas versöhnlicher) Dawkins sagt auch ausdrücklich Seite 41: My title „The God Delusion“ does not refer to the God of Einstein .

MichaS Zit.: “does not mean forever ungraspable”

Wie können wir in vorauseilender Selbstbeschränkung was zukünftige Erkenntnisse angeht jetzt schon auf die Bremse treten und sagen “Nein, das können wir niemals wissen”?

Wir kennen unsere Grenzen schlichtweg nicht und sollten daher auch keine Grenzen ziehen an die wir lediglich “glauben”.

So verstehe ich Dawkins, nicht etwa als jemand dem es an einer gewissen Demut vor dem letztendlich unerklärbaren Rest (wie groß der auch sein mag) mangelt, das habe ich nie so empfunden.

Naja, wie auch immer, die Dawkins-Diskussion ist auch bei mir irgendwann beendet…jedenfalls vorläufig :-)

Grüße

Eine interessanter Artikel zum evolutionären Vorteil religiöser Bindungen:

http://www.nytimes.com/2008/12/30/science/30tier.html?_r=1&em

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